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gewalt ausgeschlossen. Von vornherein abzulehnen ist daher die
patrimoniale Auffassung des Mittelalters?!;, die am Gebiet ein
Obereigentum des Landesherrn, später des Staates selbst, annahm.
Diese Theorie legte dem Gebiete sachenrechtliche Natur und der
zu den einzelnen Befugnissen des Landesherrn gerechneten Ge-
bietshoheit den Charakter eines dinglichen Rechtes bei. Diese
„Eigentumstheorie“ ist längst überwunden. Ein doppeltes
Eigentum (Ober- und Untereigentum) am selben Grund und Boden
ist rechtlich undenkbar *?, ein privatrechtliches Eigentumsverhält-
nis (dominium) zwischen Staatsgewalt und Gebiet mit der öffent-
lichrechtlichen Herrschaftsnatur (imperium) der Staatsgewalt völ-
lig unvereinbar. Hierüber herrscht heute in der Theorie kein
Zweifel und kein Streit mehr *,
Gleichwohl beeinflußt und beeinträchtigt diese antiquierte
Eigentumstheorie immer noch die klare Erkenntnis der Beziehung
zwischen Staatsgewalt und Staatsgebiet. Sie verleitet dazu, diese
Beziehung zwar nach öffentlichem Recht, aber nach Analogie des
Privatrechts als öffentliche Sachherrschaft, als „staatsrechtlı-
ches Sachenrecht” zu konstruieren?® und als Inhalt eines
besonderen staatlichen Hoheitsrechtes, der Gebietshoheit, zu er-
klären. Der Fortschritt dieser Auffassung liegt darin, daß die
Beziehung zwischen Staatsgewalt und Gebiet nicht als dominium,
sondern als imperium erkannt wird (Herrschaftstheorie).
Irrig ist aber die Ansicht, daß der Staat das Gebiet gegenständ-
lich beherrsche (Öbjekttheorie). Eine Herrschaft kann der
21 Vgl. jedoch v. BzLow, Der deutsche Staat des Mittelalters, I. 1914,
129 £f.
"2 RADNITZKY im ArchöffR. XX. 337.
3 Vgl. darüber z. B. GERBER, Ueber die Teilbarkeit deutscher Staats-
gebiete, in Aesmıs Zeitschrift I. 1865, 5 ff., auch in ges. jur. Abhdl. 1872,
441 ff. ZoRn, Staatsrecht I. 100.
3% LABAND I. 192.
25 v. GERBER, Grundzüge, 65. HEILBORN, Das System des Völkerrechts,
1896, 5ff. BoRNHAK, Preußisches Staatsrecht ? I. 1911, 238 f. v. STENGEL,
Das Staatsrecht des Kgr. Preußen, 1894, 54.