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Staates besteht nicht an, sondern wirkt in seinem Territorium. Die
Staatsgewaltherrscht nicht über das Gebiet, sondern innerhalb des
Gebietes. Es gibt keine Gebietshoheit im Sinne einer selbständi-
gen Funktion der Staatsgewalt, deren Inhalt eine Herrschaft über
das Gebiet, deren Gegenstand das Territorium wäre. Von Ge-
bietshoheit kann man nur in dem Sinne sprechen, daß man damit
die räumliche Beziehung der Staatsgewalt zum Gebiet kennzeich-
nen will. Inhaltlich ist die Gebietshoheit gleich der Gesamtheit
der staatlichen Funktionen, also mit der Staatsgewalt identisch°®.
Die Gebietshoheit ist die Staatsgewalt selbst in ihrer räumlichen
Erscheinungsform ®°,
Vielleicht sind aber Objekttheorie und Raumtheo-
rie miteinander vereinbar? Vielleicht läßt sich ein Aus-
gleich zwischen den beiden anscheinend entgegengesetzten Auf-
fassungen finden? Die sorgfältige Erwägung dieser Möglichkeit
263 ff. van CALKER in KritVJSch. XLVI. 613. Huprıch, Preußisches
Staatsrecht, 1909, 152. STIER-SoMLO, Preußisches Staatsrecht I. 1906, 128 £.
Aehnlich („örtliche Kompetenz der Staatsgewalt‘‘) RADNITZKY im ArchöffR.
XX, 340 ff., XXVIIO. 454 ff. Seine Auffassung ist jedoch abzulehnen. Das
beweist am besten ihre Konsequenz, daß sie keinen Unterschied zwischen
Reichsgebiet und Kolonialgebiet anzuerkennen vermag (das. XX, 346 f.) und
am offenen Meere eine gemeinsame Gebietshoheit (gemeinsame Kompetenz-
sphäre) aller Staaten annehmen muß (das. XXII. 416 ff.; XX VIII. 457).
2% v. GERBER, Grundzüge 67: „Es würde unrichtig sein, den Begriff
dieses Rechts (der Gebietshoheit) mit einem eigentümlichen materiellen Inhalte
ausstatten und etwa durch einzelne Maßregeln der Staatsgewalt bestimmen
zu wollen, welche den Grund und Boden zum praktischen Objekte haben,
wie die Anlegung von Straßen, die Verfügung über öffentliche Gewässer, die
Aufstellung von Regalien, oder durch Maßregeln, welche sich auf die Einteilung
des Staats in Kreise oder Provinzen oder auf die Behandlung Fremder im
Staatsgebiete beziehen. Denn alles dieses sind nicht spezifische Ausflüsse der
Gebietshoheit, sondern Akte der Staatsgewalt überhaupt, für deren Charak-
teristik die zufällige Berührung mit Verhältnissen der Oertlichkeit nicht ent-
scheider.d ist.‘
s° So Huperıch, Preußisches Staatsrecht, 1909, 152. Diese Auffassung
von der Gebietshoheit herrscht jetzt allgemein. LABAxDo I. 191.