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Nebeneinanderbestehen mehrerer gleichgeordneter Staats-
gewalten innerhalb desselben räumlichen Bereiches. Denn von zwei
koordinierten Gewalten würde jede die gesamte Herrschaft im
Gebiete für sich beanspruchen. Nicht aber schließt jener Grund-
satz das gemeinsame Wirken zweier nicht gleich-, sondern einan-
der über- bzw. untergeordneten Staatsgewalten innerhalb
desselben räumlichen Bereiches aus. Denn die Ueberordnung der
einen über die andere Gewalt gewährleistet eine säuberliche Schei-
dung der beiderseitigen sachlichen Kompetenzbereiche. Sie
schließt daher einen Konflikt beider Gewalten hinsichtlich ihrer
sachlichen Zuständigkeit aus. Da aber die „Gebietshoheit“ ledig-
lich die räumliche Erscheinungsform der Staatsgewalt in ihrem
gegebenen sachlichen Umfange ist, so sind zwei „Gebietshoheiten “
bezüglich des gleichen Gebietes miteinander vereinbar, wenn jede
Staatsgewalt ihren festbegrenzten sachlichen Zuständigkeitsbereich
hat. Der sachlichen Kompetenz einer jeden Staatsgewalt ent-
spricht dann ihr räumlicher Wirksamkeitsbereich als Gebietshoheit.
Im deutschen Bundesstaate * ist die Reichsgewalt die übergeord-
nete Gewalt gegenüber derjenigen der Gliedstaaten. Die Kompetenz-
grenze zwischen beiden Gewalten ist von Reichswegen genau ge-
zogen. Die sachliche Zuständigkeitsgrenze zwischen den Staats-
gewalten bildet zugleich die räumliche Zuständigkeitsgrenze zwi-
schen den Gebietshoheiten. Jede der beiden Gebietshoheiten
schließt innerhalb ihres Kompetenzbereiches die andere aus. Die
Staatsgebiete als die räumlichen Herrschaftsbereiche beider Staats-
gewalten decken sich also juristisch nicht, sondern liegen neben-
einander. Geographisch zusammenfallend, sind sie doch staats-
rechtlich genau voneinander getrennt. Verletzungen in Gestalt
von Uebergriffen sind im Wege Rechtens ausgeschlossen. Und
sollten sie rechtswidrigerweise vorkommen, so bestehen von Reichs
wegen die erforderlichen Garantien behufs Wiederherstellung des
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