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eine Verfügung des Reiches über Reichsgebiet ohne Rückwirkung
auf ein Landesgebiet ist oder eine Verfügung eines Gliedstaates
über sein Gebiet die Auslandgrenze nicht berührt. Alsdann ıst
das Verfügungsrecht des betreffenden Staatswesens ein selb-
ständiges, an keinerlei Mitwirkung des anderem Staatswesens
(des Gliedstaates bzw. des Reiches) gebundenes Gebietsver-
fügungsrecht, der Ausfluß einer freien und unbestreitbaren
Betätigungsmöglichkeit der Staatsgewalt.
I.
Derartige selbständige ,„Verfügungen*® desRei-
ches sind möglich beim Reichsgebiet i. S. der Reichsverfassung
und beim Kolonialgebiet.
A. Selbständige Verfügungen des Reiches über Reichs-
gebiet sind
1. in Friedenszeiten nur dann statthaft, wenn es sich
um eine Veränderung der elsaß-lothringischen Auslandgrenze
handelt. In allen anderen Fällen bedarf es einer Mitwirkung der
Landesstaatsgewalt, deren Herrschaftsbereich bzw. Auslandgrenze
durch die Aenderung des Reichsgebietes bzw. der lteichsausland-
grenze mitbetroffen wird. Nur über die elsaß-lothringische Aus-
landgrenze verfügt die lieichsstaatszgewalt selbständig, weil hier
keine Landesgebietshoheit in Mitleidenschaft gezogen wird”. Das
Reichsstaatsrecht enthält keine ausdrücklichen Vorschriften über
eine solche Verfügung des lteiches.. Die beiden Akte, in denen
sie sich abzuspielen hat, sind der Abschluß eines völkerrechtlichen
Vertrages und seine staatsrechtliche Vollziehung in der Form des
Gesetzes. Erforderlich ist, da der territoriale Besitzstand des
75 Daß Elsaß-Lothringen kein Gliedstaat ist (weil es keine selbständige
Verfügungsmacht über seine „Landes“verfassung, folglich keine eigene, un-
abhängige Staatsgewalt besitzt), ist unbestreitbar. Vgl. LaBano II. 1911,
232. Preuss, 4l4f. Fischbach, Das öffentliche Recht des Reichslandes
E.-L., 1914, 62 f. Abweichend NELTE im ArchöffR. XXVIL. 45 ff.