Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

der Zustimmung des Reiches bedürften. Denn das abgetretene 
Stück bleibe jedenfalls der souveränen Reichsgewalt wie bisher 
unterworfen. Es sei für das Reich in der Regel ohne rechtliches 
Interesse, ob ein Stück des Bundesgebietes zu diesem oder jenem 
Staate gehöre. Auch die Staatspraxis hat diesen Standpunkt stän- 
dig vertreten. Er ist auch juristisch gerechtfertigt. Er erscheint 
deswegen prinzipiell zutreffend, weil der räumliche Herrschafts- 
bereich der Reichsstaatsgewalt in solchem Falle keinerlei Verän- 
derung erfährt. Folglich ist die Rechtsgültigkeit der Gebietsver- 
änderung als solcher durch keinen Akt: der Reichsgesetzgebung 
bedingt. Wohl aber bedarf es eines solchen Aktes, wenn — in 
diesem Falle: weil — zufolge der Gebietsveränderung Reichs- 
einrichtungen oder Reichsrechtsnormen betroffen werden, so z. B. 
wenn eine Aenderung der Verteilung der Bundesratsstimmen, der 
Zahl oder Verteilung der Reichstagsabgeordneten, der Wahlkreis- 
einteilung oder sonstiger Rechte und Pflichten der Gliedstaaten 
gegenüber dem Reiche eintritt?5. ZORN®® macht zur Begründung 
seiner abweichenden Meinung geltend, Veränderungen des Reichs- 
gebietes gegenüber dem Bestande der Reichs- wie auch der einzel- 
staatlichen Grenzen vom1. Januar 1871 enthielten immer eine Ver- 
fassungsänderung, weil der Gebietszustand der Einzelstaaten vom 
1. Januar 1871 in Art. 1 RV. niedergelegt sei. Hierbei wird 
aber doch wohl die staatsrechtliche Bedeutung des Art. 1 RV. 
überschätzt. Dieser fixiert wohl das „Bundesgebiet“, nicht aber 
die einzelnen Staatsgebiete, setzt diese vielmehr in ihrer gegebe- 
nen und jeweiligen Größe voraus. Es ist nicht die Aufgabe der 
Reichsverfassung und im Zweifel nicht als zur Kompetenz des 
Reiches gehörig zu erachten, den territorialen Besitzstand der 
einzelnen deutschen Gliedstaaten in einem genau bestimmten Um- 
fange zu garantieren. 
  
95 Dies erkennt auch die herrschende Meinung an. Vgl. z. B. LABAND 
I. 203. BORNHAK I. 241 f. SCHwARTZ, Die VU. für den Preuß. Staat ?1898, 45. 
se Staatsrecht I. 102. Ihm folgend Bansı in Annalen des DR,, 1898, 686 
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