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tische Erfassung des geltenden und Gestaltung des künftigen
Rechts vermag das Vorurteil zu bannen, das unberechenbare Zu-
fälligkeit mancher Entscheidungen und deren Abhängigkeit von
formalistischen Erwägungen beklagt. Kein Rechtsstoff ist geeig-
neter, solchen Vorwürfen den Boden gründlich zu entziehen und
den lebensvollen Zusammenhang der Rechtswissenschaft mit dem
praktischen Leben und seinen Bedürfnissen zur Darstellung zu
bringen, als ein System öffentlich-rechtlicher Fürsorge.
Es lebt ein frischer, natürlicher, wahrhaftiger Sinn im deut-
schen Rechtsleben.
In jedem Rechtsgebiet bauen sich drei Gedanken-Schichten
aufeinander auf:
Die unterste Lage ist die der führenden Ideen und der trei-
benden Kräfte, welche die Entstehung und das Wesen des Rechts-
stoffs bestimmen; bei deren Ergründung handelt es sich nicht
allein darum, die Wurzeln des Gegenstandes bis zu den ersten
Anfängen zurück zu verfolgen, sondern auch darum, den Boden
und seine Beschaffenheit, sowie alle die inneren und äußeren Ein-
flüsse kennen zu lernen, die vom ersten Ursprung an auf Inhalt
und Werdegang des Rechtsgebildes einwirken.
Bei dem modernen Stoff des Militärversorgungsrechts, eines
öffentlichen Fürsorgerechts, bestimmen schon vom ersten Anfang
an KRechtswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Medizin das
Wesen und die Entwieklung der positiven Gestaltung. Dieses
Gebilde vermag — z. B. in Form eines künftigen Reichskriegs-
fürsorgerechts — noch neue Triebe anzusetzen. Dieses moderne
Recht ist zugleich ein Natur- und Kunsterzeugnis. Gesetzgebung
und Wissenschaft tragen den von innen heraus drängenden Kräften
und Gedanken Rechnung, wenn ein einheitliches, geschlossenes,
organisches Gebilde, frei von inneren Widersprüchen, entstehen soll.
Die mittlere jener drei Gedankenschichten sind die allgemeinen