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gefolgert werden, daß der Körperschaftswille als ein „selbständiger“ ®
von den einzelnen Willen zu trennen wäre. Der Verbandswille
besteht in dem Zusammenwirken der Einzelwillen der Mitglieder.
Dadurch entsteht nicht ein neuer selbständiger Verbands- oder
Staatswille, sondern es verbleibt bei einem von den Mitgliedern
und ihrem Einzelwollen abhängigen Willensprodukte. Das ist
juristisch von Bedeutung, denn auch die als Körperschaften zu
betrachtenden Einzelstaaten und speziell die Bundesstaaten haben
also nicht einen selbständigen Willen, sondern es ist bei ihnen
nur ein durch die Einzelwillen, bei den Bundesstaaten durch die
Staatsgewalt oder den Gewaltwillen der Einzelstaaten gebildetes
Willenspıodukt vorhanden.
Die praktischen Konsequenzen aus dieser Körperschaftsauf-
fassung sind folgende: Die Korporation oder der Verband als
Rechtssubjekt ist nicht willensfähig wie die einzelnen, sondern
nur wirkungsfähig durch die einzelnen, insbeson-
dere diejenigen, welche die Verbandszwecke zu besorgen berufen
sind. Die Körperschaft sowohl des Privatrechts als auch die
öffentliche, insbesondere der Staat, ist also auch nicht delikts-
fähig im Sinne eines richtig verstandenen Strafrechts ”. Die Kor-
poration haftet lediglich vermögensrechtlich für deliktische
Handlungen ihrer verfassungsmäßig berufenen Zweckbesorger (sei
es nun zivilrechtlich oder durch strafrechtliche Bußen und ver-
mögensrechtlich zu begleichende Polizeistrafen).
Nachdem wir so die Wirkungsfähigkeit der Korporationen
nach außen skizziert haben, wollen wir diesen Gedanken auch
nach innen verfolgen.
Zweckwollen, Triebeinheit und Zweckeinheit siehe Teil I S. 26 u. 27 und
S. 56, 57.
© So LABAND, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches 19115 I S. 57.
” Vgl. die treffenden Bemerkungen bei KOHLER, Lehrbuch des bürger-
lichen Rechts 1904 I S. 330, a.M. HarTer, Die Delikts- und Straffähigkeit
der Personenverbände (1903).