— 367 —
österreichischen Beamtenwelt, die dem polizeilichen Element im Aufbau
des Kriegssozialismus zu einer mächtigen Wiedergeburt verhelfen muß-
ten. Hier wie dort ein noch aus den Zeiten des Wohlfahrtsstaates
überkommenes Berufsbeamtentum mit seinen uralten Ueberlieferungen
und dunkeln Erinnerungen, die durch Berührung mit dem geistig ver-
wandten Elemente in den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Gegenwart
alsbald zu neuem Leben erwachen mußten und wieder zu treiben be-
gannen. In Oesterreich war diese Bürokratie überdies durch die jahre-
lange Ausschaltung des Reichsrats das freiere Schalten und Woalten
gewohnt.
Aus diesen Vorbedingungen erklärt es sich auch psychologisch, daß
ganz erhebliche Eingriffe in „Freiheit“ und „Eigentum“, die im empfind-
lichen Rechtsstaate normal kaum anders als durch Gesetz erfolgen
dürften, jetzt einem freieren nur ganz allgemein, und bloß rein kriegs-
mäßig gedeckten geschmeidigen „Verordnungsrecht“ der Regierung oder
anderer ermächtigter Organe verfallen können. Dieser „Kriegsbrauch“
erfaßt vor allem solche Verfügungen, die uns als gute alte Bekannte im
Polizeistaate begegnen, wie die zahlreichen zeitlichen Beschränkungen
des geschäftlichen Verkehrs. auf gewisse Tagesstunden usw., die jetzt
im Gegensatz etwa zu den gesetzlichen Landesschlußbestimmungen rein
verordnungsmäßig abgetan werden; er tritt uns ebenso in den zahlrei-
chen Höchstpreisen, den „Preistaxen* unserer Tage entgegen und dehnt
sich auf die mit freiem Auge nicht mehr zu überblickende Legion von
Erzeugungs- und Veräußerungsbeschränkungen oder -verboten aller Art
aus, um zu den zahlreichen Vorratserhebungen und Beschlagnahmen
aufzusteigen. So kommt es durch die Macht der Gewöhnung und die
Gunst der ermächtigenden Umstände zu einer fortschreitenden staats-
rechtlichen Deklassierung der Gegenstände. Was gestern noch im Range
einer Kais. Vdg. stand, kann heute oder morgen schon dem geschmei-
digen form- und zwanglosen Verordnungswege gewonnen sein und 50
versteht es sich auch, wenn etwa die Ausfuhr nach Rumänien dem
neuen „österreichischen Warenverkehrsbureau“ durch einfache MVdg.
vom 26. VI. 1916, RGBl. Nr. 197 auf Grund der Kaiserlichen Ermäch-
tigung vom 10. X. 1914 ins Monopol gegeben wird.
Nur die Annahme und Einschaltung derartiger „polizeilicher Mo-
tive“ ı° wird der Auffassung der Kais. ErmVdg. vom 10. X. 1914., aus
welcher dieses kriegswirtschaftliche rückläufige Notverordnungsrecht
10 Ueber diesen Ausdruck FLEINER a. a. O. S. 365.