Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

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soviel Berechtigung wie etwa die kausale Erklärung geometrischer Sätze 
in der Mathematik. Die Behauptung, daß eine Rechtsenorm, ein privates 
Rechtsgeschäft oder ein sog. Staatsakt Rechtsverhältnisse „erzeuge*, „be- 
wirke“, „konstituiere* usw., hätte ihr methodologisches Gegenstück in der 
Behauptung des Mathematikers, daß die Gleichheit der Seiten eines Drei- 
eckes die Gleichheit seiner Winkel (und umgekehrt) „entstehen lasse“, „er- 
zeuge“, „bewirke* usw. Bei ihrer so oft mit Recht beklagten, durchaus 
mangelhaften philosophischen Bildung verwechseln nämlich unsere heutigen 
Juristen zwei grundlegende Denkkategorien: die der Ursache (causa 
efficiens) und des logischen Erkenntnisgrundes (ratio suffciens). 
Nur der letztere hat in der theoretischen Rechtserkenntnis Bedeutung und 
Berechtigung. An dieser prinzipiellen, methodologischen Wahrheit orien- 
tiert, würde die offizielle Rechtswissenschaft zu ganz anderen, und m. E. 
konsequenteren Konstruktionen gelangen. Ohne große „Umwälzungen*® 
würde es dabei allerdings nicht abgehen; die Angst vor solchen Umwälzun- 
gen kann aber für den wahrheitssuchenden Theoretiker kein genügender 
Grund sein, um ihnen aus dem Wege zu gehen. (Als erster Schritt zu 
diesem Ziele sei das Studium von KELSENs grundlegendem, von der offi- 
ziellen Rechtswissenschaft bisher unwiderlegten Werke: „Hauptprobleme 
der Staatsrechtslehre® empfoblen.) — 
Wenn nun der Referent zum Schlusse bemerkt, daß die hier bespro- 
chene LAYersche Schrift durchaus die ausgetretenen Pfade der herrschen- 
den Anschauungsweise wandelt, ohne ihre Haltbarkeit kritisch zu prüfen, 
so soll dies in aiesem Falle keinen Vorwurf für den Verfasser bedeuten: 
Im Rahmen einer relativ kurzen Monographie ist dies nicht anders zu 
machen. Ihr eigentlicher Wert beruht, wie der Referent mit Vergnügen 
zugibt, in der übersichtlichen Darstellung der herrschenden Ansichten; auch 
für das zweite, „praktische“ Kapitel derselben werden sich gewiß Liebhaber 
finden. Prof. Dr. Franz Weyr. 
Niedner, Johannes, Recht und Kirche. Sonderabdruck aus der Fest- 
schrift für Dr. RUDoLF SoHM, München u. Leipzig. Duncker & Hum- 
blot (1914) 40 S. 
Verf. geht in dieser Untersuchung vom Satze SonMs aus, daß das 
Wesen der Kirche jede kirchliche Rechtsordnung ausschließt (8. 275 ff. der 
Festschrift). Dies gibt NIEDNER Anlaß, zu den modernsten Problemen, 
nämlich jenem der Rechtsbildung und der Freirechtslehre Stellung zu 
nehmen. NIEDNER betont äußerst zutreffend die Gesetzmäßigkeit der 
Rechtsbildung (S. 281), wie ich sie fast gleichzeitig in dem im Oktober 1914 
abgeschlossenen I. Teil meiner Körperschaftslehre (Gesetze der Willens- 
bildung bei Genossenschaft und Staat S. 58 ff.) behandelt habe. 
Das Recht ist ihm in seiner Entwicklung „ein völkerpsychologischer 
Prozeß, eine objektive Erscheinung im menschlichen Zusammenleben, die
	        
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