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die interimistische Gesetzeskraft, die. Vorlagepflicht an den Reichs-
tag, die Aufhebungspflicht auf dessen Verlangen ($ 3 des Ermäch-
tigungsgesetzes). Diese Berufung des Bundesrates zu „gesetzlichen
Ma&ßnahmen, welche sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen
als notwendig erweisen“ war zweifellos ein wichtiger bahnbrechender
Fortschritt, aber doch nur ein mit manchen Konstitutionsgebrechen
behafteter erster Gedanke, bei dem die kriegsgemäße Gliederung
dieses Notverordnungsrechtes nicht stehen bleiben konnte. Seine
Mängel bestehen weniger in der Beschränkung auf bloße Abwehr
wirtschaftlicher Schäden unter Ausschluß alles noch so löblichen
positiven Schaffens. Diese Fessel gehört nun einmal zur guten
Lebensart des Notverordnungsrechtes und lockert sich eben im
gleichen Maße, als die Abwehr wirtschaftlicher Schädigungen mit
den Kriegserfahrungen und der verschärften Einsicht in die Zu-
sammenhänge aller Kriegswirtschaft von selbst eine extensivere
Auslegung erfahren mußte. Dagegen mußte gerade mit dem
steigenden Druck des Krieges als Mangel empfunden werden, was
ursprünglich keiner war, daß dieses Notverordnungsrecht ausschließ-
lich einer nicht ständig versammelten Körperschaft zustand, die
‚immer nur beschließen, niemals handeln, befehlen, verfügen kann“
und „niemals befugt ist, ihre Beschlüsse selbst zur Ausführung
zu bringen“ (LABAnD)?, weshalb die mit dem Notverordnungs-
rechte bezweckte wirksame Abkürzung des Verfahrens naturgemäß
hinter dem wirklichen gesteigerten Bedürfnisse zurückbleiben mußte.
Dies äußerte sich naturgemäß an der Stelle des größten wirtschaft-
lichen Druckes, auf dem Gebiete der Volksernährung. Um
hier die Lücke auszufüllen, mußte das Notverordnungsrecht wohl
oder tibel auch anderen Organen u. zw. den Regierungs- und Voll-
zugsorganen eingeräumt werden. Der kürzeste Weg hiezu bot sich
in der Mitbeteiligung solcher Organe an dem Notverordnungsrechte,
und dieser Weg wurde auch vom Bundesrat beschritten, der als
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2 St.R.], S. 255,