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ist eine Rechtsinstitution nur, wenn sie vom Staat dazu erhoben wird oder
selber Staat ist. Ob diese Theorie aufrecht erhalten werden kann, das
hängt davon ab, ob der Begriff des Verfassers von Recht und Staat selber
richtig ist. Bevor wir aber auf diese Frage eingehen, wollen wir noch das
Kapitel über das Staatsrecht berühren.
Wir wissen schon, im Sinne des Verfassers ist der Staat charakterisiert
durch die höchste Macht. Daraus folgt, daß es über einem Staat nicht
einen anderen Staat geben kann (S. 259). Alle Staatenverbindungen sind
völkerrechtlicher Natur. Wachsen Staaten zu einem neuen Staat zusammen,
so hören die Teile auf, Staaten zu sein (S. 290. 295). Der Verfasser muß
also den Bundesstaat als einen Einheitsstaat mit weitreichender Autonomie
der Teile betrachten (S. 295). Die Konstruktion vom Bundesstaat als einem
Doppelstaat, die heute die herrschende ist, kann er sich nicht zu eigen
machen. Denn er verlangt für den Staat nicht nureineursprüngliche
Gewalt, sondern eine souveräne (S. 279).
Die Kernsätze sind also diese: Staat und Recht können nur gedacht
werden im Verein mit der höchsten Macht. Ich glaube, diese Theorie trifft
das Wesen der beiden Erscheinungen nicht. Wenn man für Staat und Recht
Souveränität fordert, so legt man das Gewicht auf einen Grad der Inten-
sität, man macht also nur einen relativen, folglich äußeren Unterschied.
Will man Staat und Recht charakterisieren, so muß man ihr Lebensprinzip
aufsuchen; man muß die Kraft erforschen, welche ihnen erlaubt, sich durch-
zusetzen. Betrachtet man den Staat, so sieht man, daß er nicht durch
fremde Gewalt gegründet ist, sondern daß er autochton dem Volkswillen
enstpringt. das heißt dem Phänomen, daß der stärkere Teil der Bürger ent-
schlossen ist, eine Herrschaft und eine Verfassung aufrecht zu halten. So
ist das Kennzeichen des Staates die ursprüngliche Gewalt, nicht aber
die höchste. Wie ist dann weiter das Recht zu charakterisieren? Ich
meine, es hebt sich von der bloßen Konventionalnorm, von der Sitte da-
durch ab, dab es eine besondere Gewähr besitzt. Recht ist überall vor-
handen, wo ein bewußter Wille auf den Schauplatz tritt, um die
Normen der Gemeinschaft zu wahren. Es ist dem Recht eigentümlich, daß
es nicht allein unter dem Schutz der blind schaffenden sozialen Kräfte steht,
wie die Sitte, sondern daß es geschützt wird durch zweckbewußte
Institutionen. Untrennbar von Recht ist die organisierte
Garantie,
Von diesem Standpunkt aus erklärt sich mühelos die Rechtsnatur des
Völker- und Kirchenrechts. Das Staatsrecht unterscheidet sich von ihnen
wieder dadurch, daß es nicht auf freier Vereinbarung ruht, sondern mit
einer Herrschaft verwachsen ist, und zwar mit einer ursprünglichen, nicht aber
notwendig souveränen.
So kann man denn in der Sache manche Bedenken gegen die Theorien
des Verfassers erheben. Sie verlassen oft die begangenen Wege, aber darin