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missen, wie es doch schon der Deutlichkeit wegen wünschenswert
gewesen wäre, wenn wirklich ein sekundäres Notverordnungsrecht
der Regierung die Absicht war. Ueberdies ist ein derartiges Not-
verordnungsrecht auch sonst eine vom Verfassungsstandpunkte
nicht sofort vollziehbare Vorstellung. Die Verfassung umgibt ja das
Notverordnungsrecht des österreichischen Kaisers — soweit es auch
inhaltlich gefaßt ist — mit starren formalrechtlichen, geradezu
sakralen Kautelen, verlangt ausdrücklich Verantwortlichkeit und
Gegenzeichnung des Gesamtministeriums, Vorlage an den Reichsrat
binnen einer gewissen Frist nach seinem Zusammentreten, bestimmt
das Erlöschen der provisorischen Gesetzeskraft, wenn das nicht ge-
schieht oder eines der beiden Häuser nicht die Genehmigung er-
teilt, und betraut den Kaiser als Gesetzgeber oder Träger der
gesetzgebenden Gewalt mit dieser Art von Verordnungsrecht. Hier
würde aber die Regierung schlechtweg — ohne daß unbedingt die
Gesamtregierung verlangt wäre — unversehens an die Stelle des
Trägers der gesetzgebenden Gewalt treten, und die sonstigen for-
mellen Kautelen müßten erst sinngemäß ergänzt werden. Nun gilt
ja gewiß auch hier, was LABAND vom Reichskanzler!? sagt, daß
die Minister die Gehilfen des Kaisers sind, deren er sich bei der
ihm zustehenden Regierungsgewalt bedient, so daß die Verord-
nungen immerhin so angesehen werden können, wie wenn sie die
Krone selbst erließe.. Doch würde dadurch für die Bürokratie
allerdings ein nicht unwesentliches, psychologisches Moment, eine
gewisse politische Hemmung wenigstens teilweise (freilich nicht
ganz) ausgeschaltet??, und rein formalrechtlich über den Wort-
laut der Verfassung hinweggegangen. Verfassungsänderungen sind
aber diesem kaiserlichen Notverordnungsrechte ein für allemal ent-
zogen. Dagegen spräche endlich vielleicht auch noch der weite
Umfang des zu übertragenden Notverordnungsrechtes, so daß sich
ein solcher Vorgang vom Standpunkte des konstitutionellen Gefühls
12 St.R. II Seite 91.
13 Vgl. unten im Texte Seite 47£.