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eigenen Bestimmungen abzuändern, zu ergänzen oder auf andere
Bedarfsgegenstände auszudehnen, demnach eine Klausel, die sich auch
nur aus dem eigentümlichen Unsicherheitskoeffizienten der Kriegs-
zeit und dem Bedürfnisse nach entsprechender größerer Beweglich-
keit des Verordnungsrechtes erklären kann. Diese primären Not-
verordnungen gewinnen damit einen der Friedenszeit naturgemäß
fremd gebliebenen experimentellen Zug. Insoweit solche Ermäch-
tigungen erfolgen, wird fraglos ein sekundäres Notverordnungsrecht
der Regierung begründet, denn was eine kaiserliche Verordnung
abändern oder beliebig ergänzen kann, muß eben selbst wieder
materielle Notverordnung sein, mögen auch hier wiederum die
hergebrachten Kautelen für die Austibung des primären Rechtes
fehlen. Solcher Ermächtigungen zur Abänderung kaiserlicher Not-
verordnungen gibt es aber so viele!®, daß sie für die Kriegszeit
geradezu als typisch gelten können. Besondere Aufmerksamkeit
verdient unter ihnen die kaiserliche Verordnung vom 7. August
1915 RGBl. Nr. 228 (Versorgung der Bevölkerung mit unent-
behrlichen Bedarfsartikeln); auch sie enthält im $ 22 die bewußte
Klausel, und dennoch wurde zu ihrer Novellierung neuerlich der
Weg kaiserlicher Notverordnung vom 21. August 1916 RGBl.
Nr. 261 unter abermaliger Wiederholung dieser Klausel im $ 27
betreten. Hier weist es sich endlich ganz deutlich, daß die öster-
reichische Regierung auch eine klar ausgesprochene, besondere
Ermächtigung nicht unter allen Umständen in Anspruch nimmt,
und schon dieser eine Fall hindert für sich allein, aus dem häufigen
Nichtgebrauche der Oktober-Ermächtigung darauf zu schließen,
daß etwa ein Notverordnungsrecht in unserem Sinne darunter nicht
verstanden wurde. Diese Ermächtigung wurde eben nur als solche,
als ein im Notfall zur Verfügung stehender Behelf, als eine bloße
ı8 Vgl. z. B. außer der im Texte behandelten Notverordnung die
bereits erwähnten kaiserl. Verordnungen vom 21. VI. 15, RGBl. Nr. 167,
$ 38 u. v. 29. VIII. 16, RGBl. 278 $ 17, ferner v. 22, XII. 1915, RGBl. 385,
Erleichterung bei der Erfüllung privatrechtlicher Geldforderungen u. a.