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weil es eben keine einfachen Verordnungen sind, über deren
Gültigkeit die Gerichte in gesetzlichem Instanzenzuge zu entschei-
den haben. (Art. 7, 2. Abs. d. St.Grundgesetzes über die richter-
liche Gewalt.) Freilich ist damit diese schwierige Frage, Stamm-
mutter vieler Doktorfragen, nicht abgetan, wie denn anderseits die
praktische Bedeutung der richterlichen Ueberprüfung nach Lage
der Dinge nicht überschätzt werden darf. Aber auch nicht die
parlamentarische Behandlung, da eben an der technischen Unvoll-
kommenheit dieser Kriegsgeschöpfe, worin der bisherige Begriff
der Notverordnung uferlos umgewertet wird, der übliche Maßstab
versagt ”*.
Jedenfalls ergibt dieser kurze Ueberblick über die Entwicklung
des österreichischen Notverordnungsrechtes im Kriege als erster
Versuch, daß sie bedeutend weiter geht als in Deutschland. Die
verschiedenen Ansätze oder Anläufe zur rechtlichen Begründung
einer wirtschaftlichen Diktatur sind kräftiger und verzweigter,
aber auch zersplitterter und minder plan. Doch reicht der tat-
sächlich davon gemachte Gebrauch sicherlich aus, um auch im
österreichischen Notverordnungsrechte mit seinen verschiedenen
zerstreuten Bausteinen die wichtigste rechtliche Grundlage und
das rechtliche Rückgrat des Kriegssozialismus zu erkennen oder,
was hier dasselbe ist, den rechtlichen Maßstab für den ungeheuern
Machtzuwachs der Regierungs- und Vollzugsorgane für Rech-
nung der gesetzgebenden Gewalt.
Nachschrift.
Seit Abschluß des Aufsatzes (Mitte Februar) ist noch nach-
zutragen, daß in Oesterreich die Kaiserliche Verordnung v. 21. Aug.
1916, RGBl. Nr. 261 (Versorgung der Bevölkerung mit unent-
?* Dieser Macht der Tatsachen wird ADoLF MERKL nicht gerecht in
seiner dem Referenten erst nachträglich bekannt gewordenen Artikelserie.
Die Verordnungsgewalt im Kriege, speziell Artikel III und Theoretisches
zur Praxis der $ 14-Verordnungen, Juristische Blätter, Wien, 1915—1916.