Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

— 90 — 
Sind für die historisch-politische Betrachtungsweise des Staates 
Territorium, Bevölkerung, eine gewisse Stetigkeit in Kultur und 
Zivilisation u. dgl. mehr Erkenntnisbedingungen des einen — in 
seinem Wesen unveränderten — Staates, wenn man will der Un- 
verändertheit eines Staates, so gründet sich das gleiche juristische 
Urteil auf die logische Geschlossenheit des Rechtssystems oder mit 
einem kurzen Worte auf die Rechtseinheit. Sie ıst es, die den 
einen Staat, die Staatseinheit zu erkennen erlaubt und 
gebietet. 
Diese Verschiedenheit der Erkenntnisbedingungen bringt es 
mit sich, daß der Historiker und Politiker oft noch die unver- 
änderte Staatsindividualität annimmt, wo der Jurist bereits ein 
neues Staatsindividuum erkennen muß, und daß der Jurist mög- 
licherweise auch noch eine unberührte Staatsindividualität erkennen 
kann, wo tiefgreifende Wandlungen im materiellen Substrat dieser 
Rechtsform dem Historiker und Politiker von einem neuen Staate 
zu sprechen gebieten. Im besonderen ist es eine Folge der Ver- 
schiedenheit der Erkenntnisbedingungen, daß man Geburtsstunde 
und Untergangsdatum des Staates im juristischen Sinne einerseits, 
im historisch-politischen Sinne andererseits verschieden ansetzen 
muß, wobei man es als Regel aufstellen kann, daß das historisch- 
politische Gebilde die juristische Parallelerscheinung überdauert 
und meist mehrere juristisch gegebene Staatsgebilde in sich 
schließt; wobei aber allerdings auch der gegenteilige Fall denk- 
bar ist, daß der Staat im Rechtssinne die historisch-politische 
Parallelerscheinung überlebt und mithin die eine Rechtsform nach- 
einander zwei oder mehrere soziale Inhalte aufweist 5. 
  
  
Oesterreich kann uns aber in diesem Zusammenhange nicht zuletzt aus dem 
Grunde als Paradigma dienen, weil hier einer typischen histo- 
risch-politischen Kontinuität gehäufte rechtliche 
Diskontinuitäten gegenüberstehen. 
* Unter dem Namen des heutigen Oesterreich wird hier und im folgen- 
den Ungarn nicht mitverstanden. 
5 Einen solchen Sachverhalt mag man insbesondere wieder in unserem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.