Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

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Auch LABANDs monumentales „Staatsrecht“ nimmt in dem ge- 
kennzeichneten weiten Rahmen, soweit das Recht des neuen Deut- 
schen Reichs in Frage steht, allerdings mit Recht eine derogierende 
Kraft des Gesetzes an und bestreitet nur die gleiche wie über- 
haupt jede Derogationsfähigkeit des Gewohnheitsrechtes "9, 
Nicht als letzter unter den zitierten großen Theoretikern des 
öffentlichen Rechts spricht FRITZ FLEINER ?° den Satz aus: „Im 
Bereiche des öffentlichen Rechtes kann das Gesetz durch ein 
widersprechendes Gewohnheitsrecht nicht abgeändert werden; dem 
Gewohnheitsrecht fehlt gegenüber dem Gesetze die »derogatorische 
Krafte.*“ Implicite ist damit wohl zum Ausdruck gebracht, daß 
dem Gesetze gegenüber dem Gesetze (mag etwa auch das eine der 
konstitutionellen, das andere der absoluten Epoche angehören), 
derogatorische Kraft zukomme. 
Um nun auch die Privatrechtsschule zum Wort kommen zu lassen, 
gilt ihr, wie vorweg festgestellt sei, der Satz von der lex posterior 
ebenfalls uneingeschränkt und unterschiedlos, ob nun die historisch- 
politische Gegebenheit des Staates eine oder mehrere Verfassungen 
aufweist und ob diese wieder durch Verfassungsbrüche vonein- 
ander gesondert sind oder nicht. 
Ohne sich selbst in eine kritische Untersuchung einzulassen, 
richtungen des Polizeistaates anwendet, als wären sie im konstitutionellen 
Staate entstanden, folgende Tatsachen fest: „Ihr Bestand wird durch die 
neue Gesetzgebung allmählich verdrängt.“ Nun, diese Verdrängung 
erfolgt allenfalls durch die moderne Verfassung, auf welcher diese 
„neue Gesetzgebung“ beruht, nicht aber erst durch diese; und sie erfolgt 
zur Gänze oder gar nicht, je nachdem ob die neue Verfassung auf dem 
Wege des Verfassungsbruches oder auf verfassungsmäßigem Wege kam. 
Das Wort Verdrängung selbst ist doppeldeutig; MAYER meint offensicht- 
lich nicht ein Außerwirksamkeittreten, sondern eine Außerkraftsetzung. 
Von einer solchen kann aber im Falle eines Verfassungsbruches nicht die 
Rede sein. (Auch im gegenteiligen Falle ist sie ja, wie sich zeigen wird, 
höchst problematisch.) 
19 Staatsrecht II, S. 75. 
2° Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 2. Aufl, Tübingen 
1912, S. 82.
	        
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