Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 37. Band. (37)

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die weitgehende, auch von der herrschenden Lehre nicht völlig 
geteilte These aufstellt 1: „Selbst die ausdrückliche Ausschließung 
derogatorischen Gewohnheitsrechtes* (und um so mehr selbstver- 
ständlich solchen Gesetzesrechtes) „durch den Gesetzgeber ®? würde 
die Wirksamkeit (will heißen Gültigkeit) eines solchen nicht hin- 
dern können; ein derartiges Gesetz hätte als eine obligatio impos- 
sibilium keinen verbindlichen Inhalt“ ; und wenn andererseits im 
Sinne der hier entwickelten Theorie ein solcher von JELLINEK als 
rechtliches Nichts hingestellter Satz, der die Unabänderlichkeit 
des Gesetzes ausspricht, ebenfalls als rechtliches Nichts erscheint, 
jedoch aus dem gegenteiligen Grunde, weil ein solcher Satz pleo- 
nastisch ist, weil er nur eine Selbstverständlichkeit ausspricht: so 
sind dies offensichtlich die extremsten Standpunkte zu unserem 
Probleme, die sich wie zwei Pole gegenüberstehen. 
Da die Kodifikatoren innerlich dem hier bekämpften Stand- 
punkte meist näherstanden als dem hier vertretenen, kommt es, 
wie schon angedeutet, daß oft nicht viel gefehlt hätte, und es 
würde sich aus den Verfassungen das Gegenteil dessen ergeben, 
was die Verfassungsgesetzgeber für selbstverständlich angesehen 
haben; so kommt es insbesondere, daß sich die Stelle der ge- 
schriebenen Verfassung, welche die Abänderungsmöglichkeit ent- 
hält, — ohne daß sie sich mit ihr ex professo befassen würde, viel- 
mehr in der Regel bestimmte andere Zwecke verfolgend —, oft 
sı Gesetz und Verordnung, 8. 335. 
82 Der Gesetzgeber wird eben als souverän gedacht und seine Be- 
schränkung, zumal in der Gestalt der Selbstbeschränkung ist für viele eine 
unvollziehbare Vorstellung. Und doch bedeutet die Verfassungsschöpfung, 
die allerdings mit der Gesetzgebung nicht identifiziert werden darf — wenn 
sie selbst auch die Form der künftigen Gesetze einhält, so ist sie for- 
mal doch noch nicht Gesetzgebung — nichts anderes als Schrankenziehung 
für die Gesetzgebung; und doch ist auch eine Selbstbeschränkung gesetz- 
gebender Organe etwas sehr häufiges. Vortrefflich hat den Gedanken der 
Selbstbeschränkung des Staates am Beispiele der Staatsverträge ALFRED 
VON VERDROSS, Zeitschrift für Völkerr., 1914, S. 329 ff., vornehmlich S. 358 
herausgearbeitet.
	        
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