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gebniss eines bestimmten staatsphilosophischen Systems ist, welches
zu entwickeln als Aufgabe der Wissenschaft erscheint. Wer der
Wissenschaft diese Aufgabe zuweist, der stempelt damit diese
Verfassung durchaus nicht zum „Produkte einer mit der abstrakten
Logik arbeitenden Doktrin*, sondern verfolgt ganz andere Ziele,
nämlich den Nachweis, dass diese Verfassung nicht lediglich ge-
wissen augenblicklichen Anwandlungen oder, im besten Falle,
dem gesunden Sinne eines praktischen Politikers ihr Dasein ver-
dankt, dass sie vielmehr aus jenem tiefern Einblicke in das be-
griffliche Wesen des Staates herausgeschaffen worden ist, welcher
allein sich anmassen darf, für seine Schöpfungen eine gewisse
Allgemeingültigkeit und damit eine gewisse Dauerbarkeit zu be-
anspruchen, sobald er nur andererseits auch den Anforderungen des
praktisch-politischen Lebens gerecht zu werden versteht; darum darf
die Bedeutung und der wahre Werth einer konkreten Verfassung
nicht ausschliesslich nach dem Masse gemessen werden, in
welchem sie den zuletzt gedachten praktischen Anforderungen
entspricht, sondern ist auf ihre „grundliegenden Prinzipien* und
daraufhin zu prüfen, ob diese in der That sich in den verschie-
denen Einzelbestimmungen wiederfinden; und daraus ergibt sich
umgekehrt als Aufgabe der Staatswissenschaft, die Einzelbestim-
mungen aus den „grundliegenden Prinzipien“ heraus zu erklären
und dem entsprechend in das System eines konkreten Verfassungs-
rechtes einzufügen. Klar ist, dass nur auf diese Weise in der
Behandlung auch des Staatsrechtes sich jene logische Schärfe
herausbilden kann, welche, durch die römischen Juristen ent-
wickelt, für alles Privatrecht unerlässlich erscheint und für das
öffentliche sicher nicht weniger Bedeutung besitzt, wenn man
auch von mancher Seite her meint, dass dadurch der „unfrucht-
baren Spekulation“ oder der „abstrakten Logik“ allzu grosser
Spielraum gewährt werde.
v. Horst erklärt es aber andererseits für unzulässig, eine
konkrete Verfassung als ein in sich abgeschlossenes Ganze zu
betrachten, darum, weil diesselbe einem beständigen Wandlungs-
prozesse unterworfen sei, denn so kann doch nur seine oben er-
wähnte Behauptung verstanden werden, dass jede Verfassung das
Ergebniss der gewordenen und werdenden Rechtsverhältnisse sei;
darum fordert er (S. 4) für eine solche auch diejenige „Elastizität“,
welche erforderlich ist, „um allen entstehenden neuen Bedürf-