Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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jeweiligen Stande der Wissenschaft entsprechen, auch wenn die 
Anschauungsweise des Gesetzgebers seinerzeit eine andere ge- 
wesen ist. Alles in Allem: eine Verfassung wird, den sonstigen 
Gesetzen eines Staates gegenüber, gekennzeichnet nicht durch einen 
unbedingten Mangel, wohl aber durch ein geringeres Mass von Ver- 
wandlungsfähigkeit; dieser Unterschied ist allerdings nur ein 
quantitativer, kein qualitativer, und hat vielfach dazu geführt, 
ıhn überhaupt nicht ausdrücklich anzuerkennen. Aber trotzdem 
hat man überall, wo eine Verfassung eine urkundliche Auf- 
zeichnung in einem Grundgesetze erfahren hat, versucht, durch 
die darin aufgenommenen Bestimmungen über die Abänderung 
desselben, diesem eine grössere Beständigkeit zu sichern, als 
andern Gesetzen; und ebenso ist es da, wo eine geschriebene 
Verfassung als solche nicht vorhanden ist, Gewohnheitsrecht 
geworden, in denjenigen Grundsätzen, welche man im engern und 
eigentlichen Sinne unter der Verfassung begreift, eine Aenderung 
eintreten zu lassen, nicht schon aus Gründen der blossen Zweck- 
mässigkeit, sondern nur mit Rücksicht auf eine unbedingte, all- 
gemein vorherrschende und längere Zeit hindurch anhaltende 
Ueberzeugung von der Unzulässigkeit oder gar Schädlichkeit des 
Bestehenden. Durch diese Theorie wird das Staatsgrundgesetz 
nicht zu einem „Chinesischen Schuh“ gemacht; aber die Wand- 
lungsfähigkeit, „die Elastizität“ desselben bestimmt sich nicht nach 
dem oft täglichen Wechsel der praktischen Bedürfnisse, sondern 
nach dem sich um Vieles langsamer vollziehenden Umschwunge 
in den grossen und letzten Fragen der Staats- und Rechtswissen- 
schaft, die aber als solche freilich befriedigend nur gelöst werden 
können im engsten Anschlusse an die unabweisbaren Forderungen 
des praktischen Lebens. — 
. Was sodann die Behandlung des amerikanischen Verfassungs- 
rechtes insbesondere anbetrifft, so erscheint es ausserordentlich 
verführerisch, hier ganz allgemein diejenigen Gesichtspunkte zu 
entwickeln, nach welchen die Darstellung fremder, in aktueller 
Geltung befindlicher Staatsverfassungen überhaupt sich zu richten 
hat; allein damit würde bei weitem der dieser Abhandlung zu 
bewilligende Raum überschritten werden, und nur so viel ist hier 
hervorzuheben, dass es sich in der Regel für den Ausländer em- 
pfehlen wird, nicht die selbstverständlich den einheimischen 
Schriftstellern immer mehr geläufigen Einzelheiten fremder Rechts-
	        
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