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systeme, sondern den Geist derselben im grossen und ganzen in
möglichst scharfen Zügen zu skizziren, und überhaupt an den-
selben diejenige Art der Kritik zu üben, welche sich als Aus-
fluss der wissenschaftlichen Methode in der Heimath des Kritikers
oder Beobachters herausgebildet hat, denn nur so kann durch
eine einschlägige Arbeit für das fremde wie das eigene Land des
Beobachters ein nennenswerther wissenschaftlicher Vortheil erzielt,
können neue, in der Literatur des betreffenden Auslandes nicht
bereits ausgesprochene Gedanken zu Tage gefördert werden;
sonst wird im besten Falle ein Werk geliefert, welches lediglich
den Zweck hat, über die thatsächlich im Auslande herrschenden
Verhältnisse eine möglichst bequeme und gewissenhafte Auskunft
zu ertheilen. Gerade darum verdient die Arbeit v. Horsr’s über
die Geschichte der Vereinigten Staaten unbedingte Anerkennung,
denn so wie er hat noch nıemand, auch unter den Amerikanern
keiner, amerikanische Geschichte geschriehen; er hat damit der
Wissenschaft einen grossen Dienst geleistet, indem er die Ge-
schichte des überseeischen Landes nach jener kritischen Methode
bearbeitete, welche geschaffen zu haben ein in der gesammten
Kulturwelt hinlänglich gewürdigtes Verdienst der neueren deut-
schen historischen Schule ist; aber eben die gleichen Anforde-
rungen hat man an die Bearbeitung des Verfassungsrechtes zu
stellen, und ich habe daher in meiner Arbeit über die ameri-
kanische Verfassung den von v.Houst anscheinend so ausserordent-
lich missfällig aufgenommenen Versuch gemacht, diejenige Methode
in Anwendung zu bringen, welche mir nach dem bereits früher
Gesagten einzig und allein dem Stande der deutschen Wissen-
schaft zu entsprechen scheint, d. h. das Ganze aus einem Grund-
gedanken heraus zu entwickeln, der sich dahin zusammenfassen
lässt, dass die Souveränetät niemals theilbar ist, wohl aber —
bei hinreichend scharfer Abgrenzung der einem jeden zuge-
wiesenen Kompetenz — verschiedene Träger dieser immer ein-
heitlichen Souveränetät denkbar sind, und dementsprechend in
zusammengesetzten Staaten vom Charakter der Vereinigten Staaten
die Bundesregierung und die Partikularregierungen als Träger der
Douveränetät, also einander gleichgeordnet erscheinen. Dass ferner
— soweit die staatsrechtlichen Verhältnisse des Bundes, d. h.
der Union in Betracht kommen — die Souveränetät auch hier
keine, an sich immer begriffswidrige qualitative Theilung erfahren