Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

Die Diätenprozesse in Preussen. 
Von 
Prof. Dr. C. Fucas, 
Oberlandesgerichtsrath in Jena. 
Der preussische Fiskus hat bekanntlich gegen eine Anzahl von Reichs- 
tagsabgeordneten, meist der sozialdemokratischen und deutschfreisinnigen 
Partei angehörend, Klage anstellen lassen auf Rückzahlung der von den- 
selben aus Parteimitteln erhobenen Diäten, welche ihnen als Ersatz für den 
durch den Aufenthalt in Berlin während der Reichstagssessionen erwachsenen 
Aufwand gezahlt worden waren. Diese Klagen haben das eigenthümliche 
Schicksal erfahren, dass sie in erster Instanz überall aus Rechtsgründen ab- 
gewiesen, in zweiter Instanz dagegen, soweit Entscheidungen bis jetzt über- 
haupt ergangen sind, fast ebenso einstimmig für begründet erachtet worden 
sind, ohne dass diese Abänderung etwa durch beigebrachtes neues that- 
sächliches Material erklärlich würde. Die Klagen wurden gestützt auf 
Art. 32 der Reichsverfassung und auf $ 172. 173 u. 205. 206. Tit. 16, 
Th. I des preussischen Allgemeinen Landrechts. Diese Gesetzesstellen lauten : 
Art. 32 der R.-Verf.: Die Mitglieder des Reichstages dürfen als 
solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen. 
$ 172: Zahlungen aus einem Geschäfte, welches gegen ein aus- 
drückliches Verbotsgesetz läuft, kann zwar der Zahlende nicht zu- 
rückfordern. 
$ 173: Der Fiskus aber hat das Recht, dem Empfänger den ver- 
botenen Gewinn zu entreissen. 
$ 205: Was zu einem unerlaubten Zweck gegeben worden, kann 
nur der Fiskus zurückfordern. 
$ 206: Ein Gleiches gilt von dem, was zu einem wider die Ehr- 
barkeit laufenden Zwecke gegeben worden, sobald dieser Zweck und 
das Verwerfliche desselben auch dem Empfänger bekannt war. 
Unter den Rechtsfragen, welche in den Diätenprozessen zur Erörterung 
und Entscheidung gelangten, war, wenn auch nicht überall, zunächst die 
nach der Legitimation des preussischen Fiskus zur Erhebung von Klagen, 
deren Grund sich auf eine reichsgesetzliche Vorschrift stützte, zu be- 
antworten. Man glaubte die Frage nach der Klageberechtigung des preus-
	        
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