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sischen Fiskus verneinen zu können, weil der Anspruch desselben aus
einem reichsgesetzlichen Verbote erhoben wurde. Doch ist diese Legiti-
mation sogar in einem die Klage im übrigen abweisenden Erkenntnisse
(Urtheil des Landgerichts in Halberstadt gegen den Abgeordneten Hut-
fabrikanten Heine vom 1. Dezember 1885) für geführt erachtet worden.
Es heisst in demselben: „Die Bestimmungen des dem Landesrecht voran-
gehenden Reichsrechts — Art. 32 — sind nicht unvereinbar mit dem Lan-
desrecht. Der Art. 32 ist eine lex imperfecta; hätte er an den Verstoss
gegen sein Verbot bestimmte strafrechtliche oder civilrechtliche Folgen ge-
knüpft, dann könnte von einer Anwendbarkeit des preussischen Rechts
nicht weiter die Rede sein. Für die Konfiskationsklage des preussischen
Fiskus ist es mithin auch gleichgültig, wo das Verbot, auf welches er sich
stützt, ausgesprochen ist, ob in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen. So
wird wohl niemand Bedenken tragen, dem preussischen Fiskus die Konfis-
kationsklage zu geben bei einer in Preussen verübten Bestechung eines
preussischen Beamten, obwohl das Verbot auf einem Reichsgesetze, dem
Strafgesetzbuche, beruht. Diese Ansicht wurde in dem zweitinstanzlichen,
die Berufung im übrigen für begründet erachtenden, die erstrichterliche
Entscheidung abändernden und den Beklagten nach dem Klageantrage
verurtheilenden Erkenntnisse des Oberlandesgerichts in Naumburg, Civil-
senat I vom 11. März 1886 gebilligt mit folgender Ausführung: „Der Be-
klagte hat seinen Wohnsitz im Bereich des preuss. Allg. Landrechts, das
Angebot und die Annahme der Diäten hat unter der Herrschaft des Land-
rechts stattgefunden. Nach Allg. Landrecht ist das Rechtsverhältniss zu
beurtheilen, der preussische Fiskus somit zur Klage legitimirt. Dem steht nicht
entgegen, dass der Anspruch zugleich auf eine reichsgesetzliche Bestimmung
— Art. 32 der R.-Verf. — gestützt wird, denn die Verfassung gilt auch in
Preussen als Gesetz und der Fiskus des einzelnen Bundesstaates kann Rechte
für sich nicht weniger aus den Bestimmungen des Reichsrechts, wie aus
denen des Landesrechts herleiten.“
Es ist in der That wohl auch nicht recht abzusehen, warum der
preussische Fiskus nicht berechtigt sein sollte, einen Anspruch, wenn
derselbe sonst begründet erscheint, zu erheben, weil derselbe auf einereichs-
gesetzliche Bestimmung sich stützt. Denn durch die Publikation des
Reichsgesetzes, wenn dieselbe auch nur von Reichs wegen und nicht noch
besonders durch die Einzelstaaten erfolgt, ist der Inhalt desselben geradeso
geltendes Recht in den einzelnen, den Begriff des Reiches bildenden Glied-
staaten geworden, als das betreffende Landesrecht es ist!). Die Bestimmung,
dass Reichsrecht dem Landesrecht vorgehe, gibt dem ersteren nur eine
gewissermassen höhere Qualifikation vor dem Landesrecht, in Beziehung auf
ihre Geltung aber in den einzelnen Gliedstaaten stehen beide Rechte gleich.
Dem gegenüber wurde in dem Erkenntnisse des Landgerichts in Halle vom
28. Oktober 1885 gegen den Schriftsteller HasencLEvER ausgeführt, dass die
in der Klage angeführten Vorschriften des preussischen Landrechtes in den
Fällen, in denen es sich um Vergehungen gegen reichsgesetzliche Normen
1) 8. Lasans, Staatsrecht Bd. I, S. 105 fg.