Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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später von der Regierung in Abrede gezogen werden ?°). Dagegen lehrt 
MITTERMAIER ??), der freilich wieder auf die Motive und Kommissionsberichte 
Gewicht legt: „wichtiger seien die Erklärungen der Regierungskommission 
doch nur, wenn sie amtliche Mittheilungen im Auftrage des Regenten 
machen, welche dann natürlich die Ansicht der Regierung enthalten. 
Allein die im Laufe der Debatten erfolgenden Antworten, welche ohne 
spezielle Instruktion ertheilt werden, seien nur als individuelle Ansicht, wohl 
sogar als eine absichtliche Ausweichung von der Wahrheit zu betrachten. 
WÄCHTER ??) bemerkt unter anderem: „Was das eine oder andere Kammer- 
mitglied zur Unterstützung seines Votums ausführte, davon kann man zur 
Auslegung des Gesetzes keinen Gebrauch machen. Denn die Motive, welche 
ein einzelnes Kammermitglied bestimmten, dem Gesetze beizutreten, kann 
man nicht als die Motive der Ständeversammlung oder der den stän- 
dischen Beschluss genehmigenden Regierung betrachten.“ Weiter sagt er 
in seinen Pandekten °®): „Ergibt sich, dass über den Sinn, in welchem 
ein Gesetz angenommen und promulgirt werden sollte, Regierung und Stände 
verschiedener Ansicht waren, während sie sich doch über die Worte ver- 
einbart hatten, so muss sich der Richter möglichst an die Worte halten, 
weil hier weder der einseitige Sinn der Regierung noch der der Stände 
massgebend sein kann“. 
Auch DerngurG?®) warnt vor der Ueberschätzung der Materialien eines 
Gesetzes, insbesondere der Motive. „Noch mehr Vorsicht“ — so fährt er 
fort — „ist nöthig gegenüber den Aeusserungen der Mitglieder der Parla- 
mente und der Regierungskommissarien bei den Berathungen in den Kom- 
missionen und Häusern der gesetzgebenden Versammlungen. Denn sie sollen 
keineswegs immer objektiv der Klarstellung des Inhalts des Gesetzentwurfs 
dienen, sie verfolgen unter Umständen den unmittelbaren praktischen Zweck, 
das Gesetz zur Annahme oder zum Fall zu bringen und enthalten einseitige 
Darstellungen mit Rücksicht auf die Lage der Verhandlungen. Ein Rechts- 
satz, welcher im Gesetze selbst nicht enthalten ist, kann nie aus den Mo- 
tiven der Gesetzentwürfe oder derartigen Verhandlungen hergeleitet werden.‘ 
Sehr entschieden ist in früherer Zeit schon ScHarrrartn ?°) für die An- 
sicht aufgetreten, dass das Gesetz nur aus sich selbst erklärt werden müsse 
und keiner materiellen Ergänzung aus anderen Schriften bedürfe. Die 
sämmtlichen landständischen Verhandlungen könnten nur gebraucht werden 
als formelle Hilfs- und Beweismittel, namentlich zur grammatikalischen oder 
deklaratorischen Auslegung und zur Aufklärung von Dunkelheiten des 
Ausdrucks. 
20) Archiv für Kriminalrecht 1842, S. 350. 
21) Die Strafgesetzgebung in ihrer Fortbildung. Beitrag I, S. 217 fg. 
22) Abhandlungen aus dem Strafrechte I, S. 247. 
28) Band I, S. 134. 
24) Pandekten Bd. I, S. 76, Note 6. 
25) Theorie der Auslegung konstitutioneller Gesetze. Leipzig 1842. 
Eine Uebersicht der früheren Ansichten überhaupt gibt v. MonL im Archiv 
für Kriminalrecht 1842, S. 217 fg.
	        
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