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Als Kennzeichen gilt ein regelmässiger diplomatischer Verkehr
mit dem betreffenden Staatswesen.
Durch Eroberung (debellatio) kann nun eine Kolonie ent-
weder in der Weise erworben werden, dass das Mutterland er-
obert wird sammt seinen Kolonien, oder dass eın bisher selbst-
ständiger Staat, der Subjekt des Völkerrechts war, durch Eroberung
zu einer Kolonie gemacht wird. Beispiele für letzteren Vorgang
sind namentlich die Erwerbung von Tunis durch Frankreich und
von Transvaal durch England. Durch Eroberung kann dagegen
nicht unter die Souveränetät eines anderen Staates gelangen die
Kolonie einer europäischen Macht, so lange das Mutterland nicht
selbst durch Eroberung mit dem erobernden Staate vereinigt wird
oder die Kolonie förmlich abtritt. Es vermochte daher England
im Anfange dieses Jahrhunderts durch Besetzung der französischen
und niederländischen Kolonien wohl deren Besitz, nicht aber das
völkerrechtliche Eigenthum, die Staatshoheit über dieselben, sich
anzueignen.
Durch Abtretung kann als Kolonie nur erworben werden das
Gebiet einer Macht, die Subjekt des Völkerrechts ist. Die Macht,
welche bisher die Staatsboheit über das abzutretende Gebiet aus-
übte, muss dasselbe an die andere Macht abtreten. Wohl zu
unterscheiden von diesem Vorgange ist es, wenn eine Macht
schon von ihr in Besitz genommenes Gebiet wieder aufgibt und
sich der anderen Macht gegenüber verpflichtet, innerhalb einer
bestimmten Grenze keine neuen Erwerbungen zu machen. In
einem solchen Falle erwirbt die andere Macht nicht durch Ab-
tretung, sondern durch Besitzergreifung das durch Aufgabe des
Besitzes seitens der ersten Macht wieder herrenlos gewordene
Gebiet. Dieser Art sind die Verträge Deutschlands mit Frank-
reich und England, durch welche die Grenzen zwischen den
Kolonien dieser Mächte bestimmt wurden. Deutschland hat auch
die bis dahin englischen und französischen Gebietstheile, in deren
Besitz es durch jene Verträge gelangte, nicht auf Grund einer
Abtretung, sondern durch Besitzergreifung erworben.
Von praktischer Bedeutung für die öffentlichrechtliche Stel-
lung der Kolonien werden die verschiedenen Erwerbsarten inso-
fern, als bei dem Erwerbe durch Eroberung und Abtretung anders
als bei dem Eirwerbe durch Besitzergreifung der bisherige Rechts-
zustand der Kolonie nach allgemeinen völkerrechtlichen Grund-