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blick auf die folgenden kritischen Erörterungen, theils im eigenen Interesse
des Verfassers.
Was das Werk besonders werthvoll macht und ihm allgemeine Beach-
tung zu verschaffen geeignet ist, das ist nach meiner Ansicht die Methode
der Behandlung. In der deutschen Literatur des Verwaltungsrechts mit
Einschluss der neuesten, mit Umsicht und Gelehrsamkeit verfassten Lehr-
und Handbücher fehlt es an der bewussten, klar erkannten und fest durch-
geführten Trennung des Verwaltungsrechts von der Verwaltungslehre.
Man geht von den Bedürfnissen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens,
von den Aufgaben und Zwecken des Staates aus; man gruppirt die staatliche
Thätigkeit nach den sich hieraus ergebenden Verwaltungszweigen und glaubt
in einer Zusammenstellung und allenfalls Erläuterung der auf jeden einzelnen
Zweig bezüglichen Vorschriften die Aufgabe des Verwaltungsrechts erschöpft
zu haben. Um nicht ein blosses Register der betreffenden Vorschriften zu
geben, was doch gar zu trocken wäre, verbrämt man dasselbe mit einer
Erörterung darüber, wie der Staat dazu gekommen sei, solche Vorschriften
zu erlassen.
Beispiele dafür bietet jeder beliebige Abschnitt jedes beliebigen „Ver-
waltungsrechts®. In einem der neuesten und besten Werke über diese
Materie, dem Lehrbuch von Eoc. Lönıns, lesen wir S. 374: „Das Wasser
ist nicht nur ein Element der Bodenverbesserung. Das Wasser dient durch
seine Tragkraft dem Verkehr, durch seine Triebkraft dem Gewerbe, durch
seine Nährkraft und andere physische Eigenschaften den mannigfachsten
Zwecken des persönlichen und wirthschaftlichen Lebens.“ An einer andern
Stelle desselben Werkes (S. 422) wird hervorgehoben, dass die Beschrän-
kungen des Waldeigenthums heute nicht mehr beruhen „auf der Furcht vor
Holzmangel oder auf der Sorge für Erhaltung schöner Jagdgründe, sondern
auf dem von der Wissenschaft und Erfahrung geführten Nachweis, dass die
Verwüstung der Wälder den nachtheiligsten Einfluss auf das Klima und
damit auf die ganze Natur des Landes und auf die Volkswirthschaft ausübt.“
Wir finden in allen Werken über Verwaltungsrecht, dass zur Förderung der
Viehzucht die Sorge für Zuchtvieh, dass insbesondere für die Pferdezucht
die Einrichtung von Gestüten gehöre; dass man der Feuersgefahr mit Spritzen,
dagegen der Wassergefahr mit Deichen begegnet; dass zur Förderung des
Verkehrs Strassen, Kanäle, Eisenbahnen, zur Hebung des Handels und des
Geldumlaufs Börsen und Banken für nützlich gehalten werden. Um diese
Sätze auf die Höhe der Wissenschaft zu erheben, werden sie „historisch
entwickelt“, mit Zeugnissen aus dem Alterthum und dem Mittelalter, min-
destens aber aus dem 16. und 17. Jahrhundert belegt. Auch die ethischen
Gesichtspunkte kommen zu ihrem Rechte. In dem erwähnten Werke, das ich
wegen seiner anerkannten Vorzüglichkeit als Repräsentanten der
Richtung wähle und das verhältnissmässig am meisten juristische Erörterungen
enthält, heisst es z. B. S. 727: „Der Genuss von berauschenden Getränken
ist an sich nicht unsittlich; er wird erst unsittlich, wenn er durch Ueber-
mass eine schädliche Wirkung auf Körper und Geist ausübt. Sofern indess
der Einzelne durch übermässigen Genuss von berauschenden Getränken nur
sich selbst schädigt, ist es nicht Aufgabe des Staats hiergegen einzuschreiten
und den Einzelnen gegen die Folgen der eigenen Unsittlichkeit zu schützen.
Da aber, wo die Trunksucht in dem Volke oder in einzelnen Kreisen des-
selben eine traurige Herrschaft gewonnen hat, ergreifen die schädlichen
Folgen derselben in stetigem Wachsthum die Familie, die Gesellschaft und
den Staat und drohen die Grundlagen eines gesunden Familien- und Staats-