Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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sation und die Auswanderung nach ausserdeutschen Ländern. Ueber 
den Sinn und die Tragweite dieser Anordnung scheint man sich 
aber bei Erlass der Reichsverfassung nicht ganz klar gewesen 
zu sein. Der Bundeskommissar von Savıcsy gab darüber in dem 
sogenannten konstituirenden Reichstage des Norddeutschen Bundes 
auf eine Anfrage folgende Erklärung ab !°): 
„Unter Kolonisation hat der Entwurf nicht gemeint, einen 
Begriff aufzustellen, der sich auf dieses oder jenes Gebiet aus- 
schliesslich beschränken soll, als Motiv lag dem Entwurfe aller- 
dings der Gedanke in erster Linie zu Grunde, die Regelung von 
Flottenstationen zu sichern, welche man von dem Augenblick 
an nöthig hat, wo man sich überhaupt an transatlantischen Be- 
ziehungen so betheiligen will, wie wir es zu thun gedenken, und 
wie wir es in Deutschland schon längst erstreben. Damit bleibt 
aber nicht ausgeschlossen, dass die Gesetzgebung sich auch über- 
haupt mit Kolonisationsfragen beschäftigen kann. Wir können 
unmöglich schon jetzt dem vorgreifen, ob nicht seitens der Re- 
gierungen einerseits oder seitens des Reichstages andererseits, 
d. h. seitens der öffentlichen Meinung, die ihren Ausdruck im 
Reichstage finden wird, das Bedürfniss geltend gemacht wird, ın 
dieser oder jener Form das Kolonisationswesen zu ordnen oder 
selbst anzuregen. Das bleibt alles der Zukunft überlassen. Vor- 
läufig haben wir aber hier an die Errichtung von Flottenstationen 
gedacht.“ 
Die Gesetzgebung über Kolonisation, wie sie nach dieser Er- 
klärung ursprünglich geplant war, also über die Errichtung von 
Flottenstationen, wäre demnach eine Art Anhang zu der Gesetz- 
gebung über die Kriegsmarine geworden. Eine derartige Gesetz- 
gebung ist aber bekanntlich nicht zu Stande gekommen. Alles, 
was man sich sonst noch unter „Kolonisation“ denken konnte, 
lag nach der Erklärung des Regierungsvertreters im Dunkeln. 
Auf die Kolonien, wie sie jetzt bestehen, kann aber die Be- 
stimmung des Art. 4 der Reichsverfassung desshalb keinen Bezug 
haben, weil nach Art. 2 das Reich das Recht der Gesetzgebung 
nur innerhalb des Bundesgebiets ausübt, die Kolonien jedoch 
staatsrechtlich Ausland sind. Allerdings sind manche Reichs- 
10) S. dieselbe in den stenographischen Berichten über die Verhandlungen 
des Reichstages des Norddeutschen Bundes von 1867, S. 271, 272.
	        
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