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gesetze gerade mit Rücksicht auf das Ausland und für dasselbe
erlassen. Es ist hier nur zu erinnern an das Konsulatsgesetz,
die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im
Auslande, die Bestrafung von im Auslande begangenen Verbrechen
im Inlande. Alle diese Gesetze konnten und mussten aber nur
desshalb von Reichswegen ergehen, weil bestimmten im Auslande
vorgenommenen Handlungen rechtliche Wirkungen für das Inland
beigelegt werden sollten. Die betrefienden Gesetze sind also im
Grunde genommen auch nur Gesetze für das Inland !}).
Wenn Art. 4 Nr. 1 der Reichsverfassung die Kolonisation
und die Auswanderung nach ausserdeutschen Ländern als Gegen-
stände der Reichsgesetzgebung nennt, so kann damit nur gemeint
sein, dass das Reich befugt ist, für das Reichsgebiet über Koloni-
sation und Auswanderung gesetzliche Anordnungen zu treffen.
Es ergibt sich dies auch daraus, dass die Reichsverfassung
für Organe der Kolonialverwaltung keine Vorsorge getroffen hat.
Nach Art. 7 der Reichsverfassung hat allerdings der Bundesrath
über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allge-
meinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen zu beschliessen
und nach Art. 17 der Kaiser die Ausführung der Reichsgesetze
zu überwachen. Für eine Kolonialverwaltung sind aber diese
Bestimmungen völlig unzureichend. Das Reich bedarf hier un-
bedingt eigener Organe. Dies gilt selbst für die Schutzgebiete,
deren Verwaltung Kolonialgesellschaften übertragen ist. Denn
die Gesellschaften und ihre Beamten bilden hier die Organe der
Reichsgewalt. Soweit aber eigene Organe erforderlich sind, ent-
hält die Reichsverfassung stets eingehende Bestimmungen über
dieselben, wie z. B. auf dem Gebiete des Auswärtigen, der Kriegs-
marine, des Post- und Telegraphenwesens. Wo das Reich keine
eigenen Organe besitzt, obgleich ihm in dem betreffenden Ver-
waltungszweige die Gesetzgebung zusteht, da treten stets die
!1) Anderer Ansicht ist LaBaxp, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. 2,
S. 96, wonach durch die Bestimmung, dass das Reich die Gesetzgebung
„innerhalb des Bundesgebietes“ ausübe , nur angedeutet werden solle, dass
für die Gesetzgebung das Bundesgebiet eine Einheit sei. Dagegen sei recht-
lich die Gesetzgebung des Reiches nicht auf das Landesgebiet beschränkt.
Hermann Schutze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 122 will
allerdings die Reichsgesetzgebung auf das Bundesgebiet beschränkt wissen,
bemerkt jedoch, ohne im einzelnen auf die betreffenden Fragen näher ein-
zugehen, dass die Bundesgesetze oft über das Bundesgebiet hinauswirken