Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 207 — 
1815 der Fall. Von allen ist auch allein ein Entwurf vom 
20. Mai 1802, den man die zweite helvetische Verfassung zu 
nennen pflegt, einer (in mancher Hinsicht irregulären) Volksabstim- 
mung unterworfen worden *'). Erst seit dem Jahre 1848 wurden 
die eidgenössischen Verfassungen in geregelter Weise zur Ab- 
stimmung des Volkes und der Cantone gebracht. 
Nirgends sind die Gedanken der Menschen in der ersten 
Hälfte dieses Jahrhunderts sehr wesentlich auf eine sogen. „Er- 
weiterung von Volksrechten“ gerichtet, und in den interessanten 
Exposes von Rossı und wieder von KERN und DRrUEY, die den 
Verfassungsentwürfen von 1832 und 1848 vorangingen, sucht der 
Leser vergebens eine Hindeutung auf die Möglichkeit oder gar 
Wünschbarkeit,, diese Oonstitutionen auch nach dieser Seite hin 
zu entwickeln. Es war viel eher, (im Jahre 1848 namentlich) der 
amerikanische Bundesstaat, den man als Vorbild für die Neu- 
gestaltung der schweizerischen Verhältnisse im Auge hatte, als 
das im Grunde viel näher liegende Beispiel der zwei föderalisti- 
schen Republiken des eigenen Landes, in denen die Volksabstim- 
mung bestand, deren Verhältnisse aber vielleicht den meisten 
Staatsmännern der damaligen Periode weniger bekannt waren, als 
diejenigen des grossen überseeischen, damals einzig in der Welt 
bestehenden Bundesstaats. 
Die Einführung einer grösseren Oontrole des gesammten Volkes 
gegenüber den Beschlussfassungen der repräsentativen Staatskörper 
ging in den schweizerischen Cantonen in zwei räum- 
lich ziemlich getrennten Perioden vor sich. In der ersten der- 
selben gab den Anstoss dazu die zweite französische Revolution 
von 1830, welche zuerst die Weltordnung des Wiener ÜUongresses, 
die derselbe für lange Zeit restaurirt zu haben glaubte, wieder 
in Frage stellte. Damals, wie dann später nochmals im Jahre 
1848, wurden natürlich die Meinungen der ersten Revolution und 
ihrer Schriftsteller über die Volkssouveränität und ihre prak- 
1) Ueber diese erste Volksabstimmung des gesammten schweizerischen 
Volkes, die als ein völliges Unicum in unserer älteren Geschichte dasteht, vgl. 
obeitirte „Oeffentliche Vorlesungen über die Helvetik“. Bern 1878 pag. 462 
und folgende.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.