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wieder an den allgemeinen gesunden Menschenverstand seiner
gesammten Bevölkerung zu glauben.
Von da ab kam der Stein in’s Rollen. Treibendes Motiv wurde
die oben bereits berührte zunehmende Impopularität der eidgenös-
sischen Bundesversammlung. Namentlich hatte die souveräne Macht-
vollkommenheit, mit der dieselbe im Jahre 1864 einen Handels-
vertrag mit Frankreich abschloss, der den Franzosen (in specie
den französischen Juden) die unbedingte freie Niederlassung in der
ganzen Schweiz gewährleistete, welche damals noch nicht alle
eigenen Bürger beanspruchen konnten, die Missstimmung Vieler
gegen dieses Repräsentanzsystem hervorgerufen und gleichzeitig
hatte eine angebahnte Partial-Revision der Bundesverfassung vom
14. Januar 1866, die diese und andere Missstände beseitigen
sollte, einen so geringen Erfolg gehabt *), dass von da ab
allgemein an eine grössere, grundsätzliche Revision gedacht wurde.
Aus dieser bewegten Zeit, in welcher das obligatorische Referendum,
wie es Jahrhunderte lang schon in einzelnen Oantonen bestanden
hatte, zuerst nur schüchtern sein aus der guten Gesellschaft ver-
banntes Angesicht erhob, bevor es nach und nach aus dem
Aschenbrödel zur Königin wurde, stammt der grössere Theil der
schweizerischen Literatur über diese Frage *°).
wesen und es gingen über den dortigen Volksstaat allerlei Anekdoten im
Lande herum. So sollte u. a. der erste Finanzdirector den Baarbestand der
Staatskasse beständig in einer Schweinsblase in der Tasche getragen haben,
um jederzeit bereit zu sein, dieselbe in natura zur Revision vorlegen zu
können.
#8) Von 8 vorgelegten Revisionspunkten war mit knapper Mehrheit ein
einziger durchgedrungen.
4%) Vgl. ausser der oben citirten historischen Broschüre von STÜRLER,
namentlich die interessante Schrift von Duss, des geistreichsten Gegners des
Referendums, „Die schweizerische Demokratie in ihrer Fortentwicklung“.
1868. Ferner GeneeL, Aphorismen über demokratisches Staatsrecht 1864
und die Erweiterung der Volksrechte 1868. Ebenso meine oben citirte
Broschüre „Theoretiker und Idealisten der Demokratie“ 1868, welche mit den
Worten schliesst: „Der Stein, welchen die Bauleute verwerfen, wird sicherlich
noch zum Eckstein werden.“ Dass diess schon im nächsten Jahre beginnen
und schon nach 6 Jahren zu der Anerkennung des Referendums für die
Eidgenossenschaft selbst führen werde, glaubte ich allerdings damals so
wenig, als die zahlreichen Gegner dieser Institution.