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Innert 14 Jahren von diesem Zeitpunkte an gingen sämmt-
liche Cantone der Eidgenossenschaft mit Ausnahme eines einzigen,
sowie diese selbst von dem Repräsentativsystem ab und zu einer
mehr oder weniger directen Volksgesetzgebung über. Entscheidend
war besonders das Jahr 1869, in welchem die Oantone Zürich,
Bern, Thurgau und Solothurn alle das obligatorische
Referendum, sogar verbunden mit Initiative (ausser in Bern) ein-
führten. Der Canton Aargau folgte in gleicher Weise schon
ım folgenden Jahre 1870.
Dermalen sind nun sämmtliche Cantonalverfassungen der Schweiz
mit einziger Ausnahme derjenigen von Freiburg rein oder ge-
mischt-demokratisch, d. h. überall hat das Volk entweder obli-
gatorisch, ohne Stellung eines Begehrens, das Recht der Bestäti-
gung der Gesetze, welche die Grossen Räthe erlassen, (wenn es
sie nicht direct auf Landsgemeinden sich gibt) oder es ist
ihm wenigstens unter gewissen gesetzlich vorgesehenen Formen
des Begehrens, oder in Bezug auf bestimmte Angelegenheiten
ein solches Recht eingeräumt °°). Im Einzelnen ist die Verfassungs-
karte namentlich in Bezug auf die Bedingungen des sogenannten
„beschränkten“ oder „facultativen“ Referendums, ferner in Bezug
auf das sogenannte „Finanzreferendum“ und auf die „Initiative“
noch ziemlich bunt und es wird fortwährend mittelst Partial-
revisionen, welche seit dem Jahre 1874 sehr häufig geworden
sind, an diesen cantonalen Bestimmungen geändert, so dass jede Dar-
stellung derselben in Kurzem an Werth verliert und einzelne sich
auch zu widersprechen scheinen, wenn sie in wenig auseinander-
liegenden Zeitpunkten geschrieben sind. Wichtig ist dermalen für
den Fernerstehenden nur zu wissen, dass diese Volksrechte so zu
sagen überall bestehen und seit ungefähr 15 Jahren allmählich
vorherrschend geworden sind, sowie dass die Tendenz der Zeit,
0) Zuletzt sind Genf 1879 und Tessin 1883 von dem reinen Reprä-
sentivsystem durch partielle Verfassungsrevisionen zu dem (facultativen)
Referendum übergegangen. In Freiburg, das jetzt allein noch repräsenta-
tiver Canton ist, wurde bereits einmal ein solcher Vorschlag gemacht
und gerade gegenwärtig scheint die liberale Partei dieses Cantons neben
andern zeitgemässen Forderungen auch diese neuerdings ernstlich in ihr
Programm aufnehmen zu wollen.