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die Völker theilnahmlos für ihre politischen Geschicke machten, je näher
man sie kennen lernt, desto weniger zu ihrer Ehre ausfällt. Ohne die
demokratischen Landsgemeindecantone, die immer daneben fortbestanden,
hätte sich unseres Erachtens die alte Eidgenossenschaft überhaupt nicht er-
halten. Allerdings sah, wenn man der Chronik Hans SaLars glauben darf,
ein frommer Mann aus dem Sernftthal im Ct. Glarus im Jahre 1530 den
Teufel selbst in eines grossen Mannes Gestalt anf der Glarner Lands-
gemeinde „helfen gandten und mehren“. So etwas ist aus keinem damaligen
Rathssaale bekannt. Vielleicht liegt es aber daran, dass man ihn auch
heutzutage in den demokratischen Staatseinrichtungen besser sieht, als in
andern. Wir glaubten über das graubündnerische Referendum Urtheile in
den jetzt bekannten Relationen fremder Gesandten bei der rhätischen
Republik finden zu können, haben jedoch bisher namentlich in Padavino,
nichts Werthvolles gefunden.
Ueber die „Kriegsgemeinde“ (pag. 203) findet sich in Hans STockar’s
Tagebuch eine sehr ergözliche und für Deutschland interessante Beschrei-
bung derjenigen, welche im März 1525 vor den Thoren von Stuttgart
abgehalten wurde, an welcher der Herzog Ulrich von Württemberg und
Onophrius Setzstab von Zürich gegen einander das Wort führten. Vgl. im
Auszug HoTTinser 1 232.
Ad pag. 202 kann noch beigefügt werden, dass auch noch in einem
anderen zugewandten Orte der Eidgenossenschaft, nämlich der Stadt Genf,
eine Art von Landsgemeinde bestand, nämlich der „conseil general des citoyens
et bourgeois*, der sich des Jahres zweimal regelmässig zu Wahlen, sonst
aber ausserordentlich zu wichtigen Geschäften versammelte, wenn es der
Kleine und Grosse Rath für nöthig erachtete, „so aber gar selten geschiehet“,
wie JOSIAS SIMLER in seinem „Regiment der Eydgenossenschaft* berichtet.
Ausgenommen, wenn die Regierung irgendwelche unbequeme Zumuthungen
ablehnen oder wenigstens auf die lange Bank schieben wollte. Auf diesen
historischen conseil general berief sich bis zu diesem Jahre immerfort die
radicale Partei von Genf mit der Forderung, dass die Volksabstimmungen
und Wahlen nicht in, den jetzigen politischen Verhältnissen besser ent-
sprechenden Wahlkreisen, sondern an Einem Puncte, in der Stadt, stattfinden
sollen, womit der städtischen Bevölkerung ein factisches Uebergewicht zukam.
Ad pag. 199. Dass der unglückliche Kappeler-Krieg ohne vorherige
Berathung des Landes angefangen worden war, bildet einen Hauptbeschwerde-
puncet der sogenannten Meilener-Artikel vom 28. November 1531, in
denen die Klagen des Volkes formulirt wurden. Ihnen gegenüber bittet ein
Rathsbeschluss vom 9. Dezember „das Vergangene in Gütigkeit aufzuheben“.
Ad pag. 212. Eine Art von facultativem Referendum führten 1867
auch Obwalden (neben der Landsgemeindeeinrichtung) und 1869 Luzern ein.
(Der zweite Theil der Abhandlung folgt im nächsten Heft.)