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Dies hat für die deutschen Schutzgebiete gegenwärtig auch reichs-
gesetzliche Anerkennung gefunden, indem $ 1 des Gesetzes vom
17. April 1886 bestimmt: „Die Schutzgewalt in den deutschen
Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reichs aus.“
Als Bezeichnung für die Souveränetät hat man das Wort
Schutzgewalt gewählt, um damit zugleich auszudrücken, dass die
Staatsgewalt ihre Thätigkeit auf ein geringes sachliches Gebiet,
den Rechtsschutz der Europäer gegen innere und äussere Feinde
beschränken will, wie überhaupt im Anfange jeder staatlichen
Entwicklung der Rechtsschutz das einzige Gebiet der staatlichen
Thätigkeit ist. Für „Kolonien“ ist desshalb auch „Schutzgebiete“
die passendste deutsche Bezeichnung. Schutzgewalt bedeutet nicht
etwas von der Souveränetät dem Wesen nach verschiedenes. Es
soll damit nur ausgedrückt werden, dass eine Ausübung der
Souveränetät in beschränktem Masse, nämlich zum Schutze gegen
innere und äussere Feinde und zum Zwecke der Rechtsprechung
für Europäer beabsichtigt ist. Es soll eine den Anfängen staat-
licher Entwicklung nicht entsprechende weitere Ausdehnung der
Staatsgewalt, namentlich auf dem Gebiete der sog. Wohlfahrts-
polizei, wie sie beispielweise in den französischen Kolonien zu
deren grossem Schaden früher stattgefunden hat und zum Theil
noch jetzt stattfindet, vermieden werden. Die Schutzgewalt des
deutschen Kolonialstaatsrechts steht ungefähr in der Mitte zwischen
den beiden Extremen des französischen Rechts, dem Protektorate,
bei welchem von einer Einmischung in die inneren Verhältnisse
der Kolonie abgesehen, und deren Regelung den einheimischen
Machthabern überlassen wird, und der völligen staatsrechtlichen
Einverleibung der Kolonie in das Mutterland. Die deutsche
Schutzgewalt entspricht allerdings den Eingeborenen gegenüber
Lava, a. a. O., Bd. 1, S. 225, wo ausgeführt wird: „Der Kaiser ist der
alleinige, ausschliessliche Vertreter des Reiches Dritten gegenüber“, und dies
nicht nur auf die in Art. 11 der Reichsverfassung bezeichneten völkerrecht-
lichen Verhältnisse bezogen, sondern auch auf die privatrechtlichen Er-
werbungen und Belastungen des Reichs ausgedehnt wird. Die oben ausge-
sprochene, noch weiter gehende Fassung des Grundsatzes, aus dem die Be-
stimmungen des Art. 11 der Reichsverfassung abgeleitet sind, ist mit der
Erweiterung der auswärtigen Beziehungen des Reichs naturgemäss gegeben
und auch wenigstens rücksichtlich der Kolonien infolge der gesetzlichen
Anerkennung des Grundsatzes unbedenklich.