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Mit der Entscheidung von Streitigkeiten, welche lediglich unter
dem Rechtssatze eines Staates erwachsen sind, abgesehen von
den Verfassungsbestimmungen dieses Staates, ist es nicht befasst,
ein Seitenstück zu der Bestimmung des deutschen Rechts, dass
das Reichsgericht eine lediglich auf die Verletzung einer partikular-
rechtlichen Norm gestützte Revision nicht zu entscheiden hat.
Dagegen besteht eine wesentliche Verschiedenheit darin, dass das
Oberbundesgericht einen grossen Theil seiner Aufgabe in der
Erledigung staatsrechtlicher Recurse erblickt, während
diese Kompetenz dem Reichsgerichte gänzlich fehlt. Dass gewisse
Aehnlichkeiten zwischen diesem und dem obersten Unionsgerichte
bestehen erklärt sich einfach aus der Thatsache, dass beide die
obersten richterlichen Organe eines aus einer Reihe souveräner
Staatenformationen bestehenden Staates sind. Es hat auch in
Deutschland nicht an Versuchen gefehlt, dem Reichsgerichte eine
solche staatsrechtliche Kompetenz zum Schutze der garantırten
Freiheitsrechte und damit den Charakter eines Bundesgerichts
im eigentlichen Sinne beizulegen. Allein abgesehen davon, dass
die Entscheidung eines richterlichen Organs über die Statthaftig-
keit von Verwaltungshandlungen mit der strengen "Trennung der
gerichtlichen und administrativen Kompetenzen, wie sie in Deutsch-
land traditionell ist, kaum vereinbart werden kann, wäre dieselbe
unter Aufrechterhaltung der gegenwärtigen souveränen Stellung
der monarchischen Gliedstaaten nicht durchzuführen gewesen.
Die Zulässigkeit eines Recurses an das Reichsgericht wegen Hand-
lungen der partikularstaatlichen Verwaltungsbehörden war ohne
Reduktion der partikularstaatlichen Souveränetät in erheblichem
Umfange nicht möglich und nach Lage der historischen Verhältnisse
konnte hieran nicht ernstlich gedacht werden. Die Eigenartigkeit
der deutschen monarchischen, staatsrechtlichen Verhältnisse erklärt
es, dass dem Reichsgerichte die staatsrechtliche Kompetenz des
obersten Gerichtes ähnlicher Staatenverbindungen, der Nord-
amerikanischen Union und der Schweizer Eidgenossenschaft fehlt.
Das Schweizerische Bundesgericht'?), welches seinen Sitz in
Lausanne hat, besteht aus 9 von der Bundesversammlung gewählten
12) ORELLI, Staatsrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft 8. 38 u. fg.