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Ansehung gewisser, durch die Gesetzgebung einzeln genannter
Administrativstreitsachen, welche der Entscheidung des Bundes-
raths oder der Bundesversammlung vorbehalten sind. Das Bun-
desgericht hat hiernach in staatsrechtlicher Beziehung gegenüber
den Kantonalgerichten keineswegs die Stellung eines Ober-
gerichts, denn die Rechtspflege ist der Zuständigkeit der Kan-
tone verblieben und jeder Kanton hat seine zwei Instanzen. ein
Unter- und ein Obergericht!?). Das Bundesgericht hat desshalb
auch kein Aufsichtsrecht über die Kantonalgerichte. Es ist
ein Organ, welches die einheitliche Auslegung der Bundes-
gesetze wahren soll und in dieser Beziehung nimmt es die gleiche
Stellung ein und erfüllt die gleiche Aufgabe wie das deutsche
Reichsgericht. Es hat mit diesem auch dadurch Aehnlichkeit,
dass ihm die Aburtheilung der gegen die Existenz der nationalen
Zentralgewalt gerichteten verbrecherischen Angriffe zusteht. Allein
seine Hauptbedeutung liegt ebensowenig in dieser wie in jener
Thätigkeit, sondern sie liegt in der Thatsache, dass es die durch
die Verfassung oder die Gesetze gewährleisteten indivi-
duellen Rechte schützt und gegenüber Uebergriffen zu ver-
theidigen hat. Diese Entscheidung staatsrechtlicher Fragen
ist seine erste Aufgabe und wenn schon ıhm, im (Gregensatze
zu dem Amerikanischen Rechte, eine Anzahl Administrativsachen
entzogen ist, so tritt sein Charakter als ordentliche Rekurs-
instanz für die staatsrechtlichen Beschwerden der
Bürger doch nicht minder bedeutsam hervor als bei dem Unions-
gerichtshofe. Gerade dieser Theil seiner Thätigkeit bildet den
Unterschied zwischen seiner jetzigen und früheren Organisation.
Die eidgenössische Verfassung vor 1848 kannte überhaupt kein
Bundesgericht, erst die Verfassung von 1848 führte ein solches ein,
jedoch mit sehr beschränkter Kompetenz. Es stand,ihm nur die
Befugniss zu Hochverrath, Aufruhr, Verbrechen gegen das Völker-
recht und solche politische Verbrechen abzuurtheilen, welche
Unruhen veranlasst hatten, die Ursache einer bewaffneten Bundes-
intervention waren. Von einer Befugniss zur Entscheidung staats-
rechtlicher Rekurse war keine Rede, vielmehr lag die Entscheidung
15) In einigen Kantonen existiren auch Kassationshöfe,