— 252 —
nach drei Richtungen richterliche Kompetenzen ausübt. Es fungirt
als Gerichtshof für Kompetenzkonflikte zwischen der Justiz
und der Verwaltung, es entscheidet Rekurse, welche sich auf die
durch die Verfassung garantirten politischen Rechte gegen-
über Verfügungen der Administrativbehörde beziehen
und endlich entscheidet es Beschwerden der Bürger oder
juristischen Personen gegen den Staat oder gegen ein
Land, sofern dieselben jura quaesita des Beschwerde-
führers zum Gegenstand haben und nach Maassgabe der positiven
Gesetzgebung von dem ordentlichen Rechtswege ausge-
schlossen sind. Die Besetzung dieses Gerichtshofes erfolgt
in eigenthümlicher Weise; den Präsidenten und seinen Stellver-
treter ernennt der Kaiser auf Lebensdauer, während die übrigen
zwölf Mitglieder vom Kaiser nach Vorschlag des Reichsrathes, übri-
gens aber gleichfalls auf Lebensdauer ernannt werden, wobei jedem
Haus in Ansehung von sechs Mitgliedern einV orschlagsrecht zusteht.
Das Amt ist ein Ehrenamt. Das Reichsgericht hat hiernach
Funktionen, welche dem gleichnamigen Gerichtshofe des deutschen
Reiches, von dem einen Ausnahmefall abgesehen, gänzlich fremd
sind und in Deutschland entweder in den Händen der obern
Verwaltungsbehörde oder der Verwaltungsgerichtshöfe liegen.
Wesentlich verschieden von dieser Organisation der obersten
richterlichen Gewalt in den Reichsrathsländern ist die Organisation
in den Ländern der ungarischen Krone. Für diese besteht
mit Ausnahme vonKroatien als oberster Gerichtshof die
Königliche Kurie; sie ist Kassationshof auf dem Gebiete
des Straf- und Zivilrechts, indem sie in letzter Instanz gegen die
Entscheidungen der Königlichen Tafeln Recht spricht. Abgesehen
hiervon steht ihr nur noch die Befugniss zu, über Beschwerden
gegen die Abfassung von Wählerlisten in letzter Instanz zu er-
kennen. Im Uebrigen besitzt sie keinerlei Kompetenz zur Ent-
scheidung von Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur, was um so
begreiflicher ist, als in Ungarn Kompetenzkonflikte zwischen der
Justiz und Verwaltung nicht von einem besondern Gerichtshofe
sondern von dem Ministerium entschieden werden.
Wesentlich dieselbe Stellung nimmt der höchste Gerichtshof
Kroatiens ein, die Septemviraltafel. Auch sie ist Kassationshof