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Kassationsrekurs zu ergreifen. Darum gilt der Kassationsrekurs
als le remöde extr&öme qui ne peut avoir pour objet
que le maintien de l’autorit& legislative et des ordon-
nances, darum die Bestimmung, dass er nur auf die Verletzung
des inländischen Rechts gestützt werden kann. Nicht weniger
deutlich tritt aber sein Charakter als Oberaufsichtsgericht
hervor. Die Disziplinargewalt, die er ausübt, das Devo-
lutionsrecht, welches ihm unter den gesetzlichen Voraus-
setzungen ganz unbeschränkt zusteht, und seine Kompetenz zur
Vernichtung jedes Urtheils wegen exc&s de pouvoir
sind drei überaus wirksame Mittel zur Geltendmachung dieses
Charakters. Von den beiden letzterwähnten wird in der Praxis
ein sehr ausgedehnter Gebrauch gemacht, und diess ist um dess-
willen von erheblicher Bedeutung, weil es nicht selten vorkommt,
dass Gerichte den Anordnungen der Administrativgewalt die An-
erkennung versagen, in Ueberschreitung der ihnen vom Gesetze
zugewiesenen Machtvollkommenheiten. Von Franzosen wird be-
hauptet, dass ohne die Befugniss des Kassationshofes zur Kas-
sation der untergerichtlichen Entscheidungen wegen exces de
pouvoir grosse Benachtheiligungen des öffentlichen Lebens nicht
zu vermeiden wären. Das ehemalige Reichs-Oberhandelsgericht,
welchem, wie erwähnt, gegenüber Elsass-Lothringen die Kompe-
tenzen des französischem Kassationshofes in vollem Umfange zu-
standen, hat öfters Urtheile der reichsländischen Gerichte wegen
Machtüberschreitung kassiren müssen, offenbar im Interesse einer
allseits richtigen Grenzbestimmung zwischen den staatlichen Ge-
walten. Der Kassationshof entfaltet seine Thätigkeit im
öffentlichen Interesse und hierin liegt seine jetzige, liegt seine
historische Bedeutung. Es ist immerhin eine der Bemerkung
nicht unwerthe Thatsache, dass, ungeachtet aller politischen Um-
wälzungen, ungeachtet aller Verfassungs- und Verwaltungsände-
rungen die staatsrechtliche Stellung des Kassationshofes eigent-
lich niemals eine andere war wie jetzt. Der Kassationshof hat
niemals in Administrativjustizsachen Entscheidungen erlassen,
er hat sich niemals mit dem Schutze individueller Rechte gegen-
über den Verfügungen der Verwaltungsbehörden befasst und es
entspricht diess dem historischen Entwicklungsgang des französi-