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destens zunächst dahin verstehen wird, dass ich mich einer be-
trächtlichen Anzahl von Fehlern und Ungenauigkeiten schuldig
gemacht habe. Da nun bis jetzt in Deutschland nicht sehr häufig
ein auf eigenes Quellenstudium basirtes selbständiges Urtheil über
diese Materie zu finden ist, scheint es mir im Interesse der
deutschen Juristen, Politiker und Historiker zu liegen, dass eine
möglichst sichere Antwort auf die Frage gefunden werde, ob sie
bei SCHLIEF oder bei mir verlässigere Auskunft über das geltende
Verfassungsrecht der Union finden — wie es sich auch immer
mit dem relativen Werth der beiden Arbeiten in allen anderen
Hinsichten verhalten mag. Da ScHLIEF schon meine früheren
Ausstellungen auf den Mangel des „bei dem grössten Theile der
deutschen Schriftstellerwelt glücklicherweise noch immer üblichen
persönlichen Wohlwollens“ zurückgeführt hat, bedauere ich auf-
richtig und lebhaft, ihm jetzt noch entschiedener gegenübertreten
zu müssen — ich bedauere es um so mehr, weil er sich in der
angegebenen Abhandlung ungeachtet der Klage, zu der er be-
rechtigt zu sein glaubt, höchst anerkennend über meine „Ver-
fassungsgeschichte“ ausgesprochen hat. An meinem guten Willen
soll es nicht liegen, wenn es mir nicht gelingt, eine solche Form
zu finden, dass auch er meiner Versicherung Glauben schenkt,
ich sei lediglich durch das erwähnte sachliche Interesse zu den
nachstehenden Ausführungen bestimmt worden.
Als natürlicher Ausgangspunkt für dieselben bietet sich ein
Satz dar, in dem SCHLIEF und ich übereinstimmen.
Mein „Staatsrecht“ beginnt mit den Worten: „Wie jede
lebensfäbige Verfassung, ist die Konstitution der Vereinigten
Staaten von Amerika ein Ausfluss der gewordenen und werden-
den konkreten Verhältnisse und nicht ein Produkt der abstrakten
politischen Spekulation.“ ScHLIEF bemerkt dazu: „In der That
ist für das richtige Verständniss jeder Staatsverfassung die
Kenntniss der geschichtlichen Begebenheiten erforderlich, welche
zum Erlasse bezw. zur Ausbildung dieser Verfassung geführt haben;
das ist eine seit so langer Zeit und so allgemein anerkannte
Wahrheit, dass, wer sie nicht gelten lassen wollte, gar nicht im
Ernste wagen könnte, Anspruch auf Beachtung innerhalb der
wissenschaftlichen Welt zu erheben.“ An einer anderen Stelle