Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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es überhaupt keine Stütze. Aber nicht blos zu eng und schmal ist die 
Basis, auf die es den neuen titulus mensae gründet, sie ist auch für den 
gegebenen Umfang unhaltbar. Dass die Erwerbsunfähigkeit des Sohnes „un- 
verschuldet“ entstanden, ist juristisch falsch. Denn ein Zustand, der durch 
die freie That und bewusste Handlung des Handelnden begründet worden 
ist, ist von diesem „verschuldet“. Selbstverständlich besitzt der Begriff „ver- 
schuldet* bezw. „Schuld“ hier keine kriminalrechtliche Bedeutung — ist 
doch die verschuldete Erwerbsunfähigkeit in den wenigsten Fällen Delikts- 
folge — sondern lediglich jene allgemeine juristische, die er stets besitzt, 
wo die „eigene Schuld* einen Ausschliessungsgrund für Ansprüche gegen 
Dritte bildet. Es bedeutet das „Verschulden“ in diesem Zusammenhang, dass 
die „verschuldeten* 'Thatsachen oder persönlichen Zustände gewollt, sei es 
vorsätzlich, sei es fahrlässig gewollt sind, dass sie durch den Willen, die 
Handlung dessen, den das „Verschulden“ trifft, bewirkt und verursacht sind, 
nicht durch unglückliche Ereignisse. Derjenige nun, der freiwillig, kraft 
Rechtsgeschäfts, nicht etwa gezwungen, wie der Soldat, dessen Erwerbs- 
unfähigkeit demnach allerdings eine unverschuldete ist, sondern durch einen 
Akt freier Berufswahl in einen Staatsdienst eintritt, der an sich ertraglos 
ist und desshalb Erwerbsunfähigkeit bewirkt, der hat diese Erwerbsunfähig- 
keit ebenso gewollt, wie das begründete Staatsdienerverhältniss selbst, mit 
dem jene nothwendig verbunden ist; er hat beide Folgen seiner Handlung 
— des Eintritts in diesen Staatsdienst — bewirkt und herbeigeführt, er hat 
sie verschuldet, d. h. er hat sie gewollt und zwar hier vorsätzlich gewollt. 
Auch nicht in Verbindung mit der Genehmigung des freigewählten Berufes 
seitens des Vaters vermag die durch seinen Willen und seine eigene Hand- 
lung bewirkte Erwerbsunfähigkeit des Sohnes eine Unterhaltspflicht des 
Vaters zu begründen. Allerdings ist der Vater an die ertheilte Berufs- 
genehmigung, deren es wegen Minderjährigkeit oder väterlicher Gewalt bedarf, 
wofern er auf sein einseitiges Berufsbestimmungsrecht verzichtet, wie an 
einen zweiseitigen Vertrag gebunden, so dass er sie nicht willkürlich wider- 
rufen kann. Allein die Berufsgenehmigung, so intensiv auch ihre Wirkung 
und Verpflichtungskraft unzweifelhaft ist, erstreckt sich extensiv nicht über 
ihr Objekt hinaus, und begründet ebensowenig eine davon ganz verschiedene 
Unterhaltspflicht, wie die Heirathseinwilligung an sich eine Dotationspflicht 
oder die Einwilligung zur Auswanderung eine Pflicht zur Erstattung der 
Auswanderungskosten bewirkt. Solche vormundschaftliche Genehmigung 
hat zum Gegenstand lediglich die vom Sohn vorzunehmende Handlung, 
gleichviel ob privatrechtlicher oder Öffentlichrechtlicher Natur, ohne jedoch 
irgend welche vermögensrechtliche Verpflichtung zur Erstattung der durch 
jene Handlungen bewirkten Kosten zu begründen. Weder die Genehmigung 
des Berufs bezw. des Eintritts in das Referendariatsamt an sich, noch die vom 
Sohn gewollte und verschuldete Erwerbsunfähigkeit, noch diese beiden Um- 
stände verbunden, vermögen eine Unterhaltspflicht des Vaters zu begründen. 
Vielmehr beruht der neue titulus mensae auf einer anderen, festeren
	        
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