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die reife Frucht langer und eifriger Vorarbeiten. Es ist daher wohl kaum
nöthig, der Schrift die üblichen Lobesprädikate zu ertheiler und ihr diejenigen
Eigenschaften einzeln nachzurühmen, welche jede echt wissenschaftliche, mit
Ernst auf die Erkenntniss der Wahrheit gerichtete Forschung an sich tragen
muss; es genügt auszusprechen, dass die vorliegende Monographie eine solche
von echter Wissenschaftlichkeit getragene Leistung ist.
Wenden wir uns nun dem Inhalt der Schrift zu und betrachten wir
die vom Verfasser gegebene Lösung der Aufgabe. Zur Orientirung möge
zunächst eine Uebersicht des Inhaltes dienen.
Die Schrift zerfällt in zwei Theile: „grundlegende Erörterungen“ (S. 2
bis 25) und „die einzelnen Arten von Staatenverbindungen* (S. 26—137).
Im ersten Theil geht der Verfasser aus von einer Feststellung des Staats-
begriffes, auf welche wir unten näher zurückkommen werden, knüpft daran
Bemerkungen über die Nothwendigkeit der Coexistenz von Staaten und über
die gegenseitigen Beziehungen der Staaten und gibt eine allgemeine Ueber-
sicht über die Staatenverbindungen. Dieser Ausdruck wird in dem weitesten
Sinne genommen. Er soll jede friedliche Beziehung zwischen Staaten
— und im Rechtssinne jede durch Rechtsnormen geordnete friedliche Be-
ziehung zwischen Staaten — bezeichnen; ferner den Fall mitumfassen, dass
objektives Recht gleichmässig für zwei oder mehrere Staaten gilt, selbst wenn
diese Rechtsnormen nur das gegenseitige feindliche Verhalten reguliren sollen.
Innerhalb dieses weiten Rahmens können nun die Staatenverbindungen sehr
verschiedenartige sein und nach mannigfachen Gesichtspunkten von einander
differiren. Für die juristische Konstruktion ist die rechtliche Stellung der
Gliedstaaten zu einander maassgebend, und nach diesem Kriterium unter-
scheidet der Verfasser drei Hauptklassen: entweder besteht gar keine Unter-
ordnung der Glieder, oder zweitens die Glieder stehen zu einander im Ver-
hältniss der Ueber- und Unterordnung (einseitige Abhängigkeitsverhältnisse),
oder endlich die Glieder sind einander nebengeordnet, aber einer höheren
Gesammtgewalt untergeordnet. Jede dieser Hauptklassen enthält wieder
Unterarten nach der vorzugsweise durch den Zweck bestimmten Struktur
der Verbindung.
In dem zweiten Theile werden nun die einzelnen Arten der Reihe nach
erörtert. Der Verfasser beginnt mit den einseitigen Abhängigkeitsverhält-
nissen, welche er in Herrschafts- und Schutzverhältnisse eintheilt; er hebt
jedoch selbst hervor, dass diese Arten vielfach ineinander übergehen. Unter
den „auf dem Princip der Nebenordnung beruhenden Staatenverbindungen“
wird zunächst die „Völkerrechtsgemeinschaft* erörtert, zu deren Thatbestand
nichts weiter erfordert wird, als eine Gemeinschaft objektiven Rechts zum
Schutz gegen willkürliche Eingriffe des einen Staates in die Rechtssphäre
und die vernünftigen Interessen des anderen, eine „Friedensordnung“ unter
unabhängigen Staaten, ein Völkerrecht. Da dasselbe aber nicht genügt, um
den Krieg unter den Mitgliedern der Völkerrechtsgemeinschaft auszuschliessen,
das Völkerrecht vielmehr den Krieg rechtlich anzuerkennen genöthigt ist,
so hat es wenigstens die Aufgabe, demselben die mit dem Zwecke der Nieder-
werfung des Gegners vereinbaren Schranken zu setzen. Dieser allgemeinen
Völkerrechtsgemeinschaft stehen gegenüber alle intensiveren Staatenverbin-
dungen, die „völkerrechtlichen Spezialverbindungen*. Dieselben sind in ihrer
rechtlichen Konstruktion der Völkerrechtsgemeinschaft gleichartig oder wenig-