Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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staaten ein bestimmender Einfluss auf die Gesammtangelegenheiten zustehen, 
weil er Staat sei, müsse er eigene und selbstständige Organe haben und 
namentlich sei eine einheitliche Volksvertretung für ihn besonders geeignet. 
Zum Schluss geht der Verfasser noch kurz auf die Frage der Entstehung des 
Bundesstaates und des Rechtsgrundes, auf welchem seine Entstehung und seine 
Verfassung beruht, ein. 
Aus dieser Uebersicht ist das Tableau der Staatenverbindungen zu 
überblicken, wie es sich nach der Konstruktion des Verfassers gestaltet. 
Für die kritische Erörterung können wir aber einen grossen Theil aus- 
scheiden. Denn die unorganisirten Vereinigungen von Staaten zu irgend 
einem besonderen Zweck, z. B. Kriegsbündnisse, Post- und Eisenbahnvereine, 
Vereinigungen zur Beobachtung von Gestirnen oder anderen Welterscheinungen 
u. 8. w. bieten der juristischen Betrachtung keine begrifflichen Schwierig- 
keiten dar und sind daher auch nicht der Gegenstand rechtsdogmatischer 
Kontroversen. Dasselbe gilt im Wesentlichen auch von den „Staaten-Asso- 
ciationen mit Kollektivorganen“, obwohl freilich die Realunion zu theoreti- 
schen Meinungsverschiedenheiten Anlass gegeben hat. Eine Diskussion end- 
lich, ob die durch die gleichmässige Geltung von Völkerrechtsnormen begründete 
Gemeinschaft unter mehreren Staaten als eine „Staatenverbindung“ bezeichnet 
werden könne oder nicht, wäre ein blosser Streit um Worte, Es bleiben 
daher nur diejenigen Staatenverbindungen übrig, welche der Verfasser als 
„Staaten-Gemeinwesen“ zusammenfasst, nämlich Staatenbund und Bundes- 
staat. 
Diese Zusammenfassung beruht darauf, dass der Verfasser auch dem 
Staatenbund corporative Natur, Rechtspersönlichkeit, eine Gewalt über die 
Gliedstaaten zuschreibt. Wir stossen hier aber sofort auf eine eigenthümliche 
Schwierigkeit. Nach den eigenen Worten des Verfassers (S. 88) ist der 
Staatenbund ein Gemeinwesen, aber kein Staatswesen; er soll seinem Begriff 
und Wesen nach Staaten beherrschen (S. 94), zugleich aber soll die Souve- 
ränetät der letzteren die rechtlich anerkannte Regel sein (8. 91). Wir sollen 
uns also ein Gemeinwesen vorstellen, das über Staaten herrscht und 
doch selbst kein Staat ist; wir sollen die Vorstellung einer rechtlichen 
Herrschaft noch über die souveräne Staatsgewalt hinaustreiben bis zu einem 
Niveau, auf dem sie wieder aufhört, den staatlichen Charakter zu haben. Die 
korporative Vereinigung von Privatpersonen ist selbst wieder eine Person 
des Privatrechts, die korporative Vereinigung von Gemeinden ist wieder ein 
Kommunalverband, die korporative Vereinigung von Kirchengenossenschaften 
ist wieder eine Gesammtkirche — dagegen die korporative Vereinigung von 
Staaten soll kein Staat sein, sondern über den Begriff desselben hinausfallen. 
Was das für Gemeinwesen sind, deren Herrschaftsgebiet erst oberhalb der 
souveränen Staatsgewalt anfängt, und welcher Art die Herrschaft ist, die so 
hoch erhaben ist, dass sie nicht mehr das Wesen der Staatsgewalt hat, das 
bedarf noch sehr der Aufklärung: die bisherige Wissenschaft wenigstens hat 
mit solchen Begriffen noch nicht operirt. Wir sollen uns ferner denken, 
dass Staaten souverän und zugleich einer über sie herrschenden Gewalt unter- 
worfen sind, d. h. wir sollen ihnen gleichzeitig die Eigenschaft der höchsten, 
obersten, keiner übergeordneten Gewalt unterworfenen Rechtsmacht beilegen 
und negiren. Im ersten Theil der Schrift (S. 7) führt der Verfasser aus, 
dass in der Eigenschaft der Souveränetät zwar die Negation der Unterord-
	        
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