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hung einer Gewalt innerhalb ihrer Sphäre unter irgend einen andern
Willen liege, dass damit aber über den Umfang der Gewaltsphäre noch
Nichts entschieden sei. Das Postulat der Souveränetät beziehe sich nur auf
das Verhältniss des Staates zu den einzelnen Menschen und zu den nicht-
staatlichen Korporationen, enthalte aber keine Aussage über das Verhältniss
der einzelnen konkreten Staaten zu einander. Dies ist m. E. unrichtig.
Gerade im Verhältniss zu den Unterthanen kommt die Eigenschaft der Sou-
veränetät gar nicht in Betracht, sondern nur im Verhältniss zu Staaten;
denn sie sagt nicht aus, was und wem die Staatsgewalt befehlen kann, son-
dern dass sie Niemandem zu gehorchen braucht, dass es keine höhere
Gewalt über ihr giebt; sie kehrt sich also nicht nach Unten, sondern nach
Oben. Wird aber dadurch eine höhere Gewalt negirt, so wird dadurch auch
die Möglichkeit ausgeschlossen, dass Umfang und Inhalt der souveränen Ge-
walt von einer ausser ihr stehenden Macht mit rechtsverbindlicher Kraft
festgesetzt werden kann. Wie weit eine souveräne Gewalt ihre Sphäre
ausdehnt, kann nur von ihrem eigenen Willen abhängen, d. h. diese Sphäre
ist ideell unbeschränkt. Die Souveränetät ist eine Eigenschaft absoluten
Charakters, die einer konkreten Staatsgewalt entweder zukömmt oder
fehlt, aber nicht theilweise oder relativ zukommen kann und daher auch
nicht auf eine gewisse Sphäre beschränkt sein kann. Souverän ist ein
Superlativ.
Meiner Ansicht nach ist aber auch dasjenige, was der Verfasser beibringt,
um die Herrschaft des Staatenbundes über seine Mitglieder, also die staats-
rechtliche Persönlichkeit desselben zu erweisen, nicht stichhaltig. Dass dauernd
zu Schutz und Trutz verbundene Staaten eine politische Gesammtmacht bilden,
dass sie unter gemeinschaftlichem Namen nach Aussen handeln und gemein-
schaftliche Bevollmächtigte ernennen, dass sie unter sich die Verbindlichkeit
verfassungsmässiger Majoritätsbeschlüsse vereinbaren und dieselbe von dem Er-
fordernisse der Ratifikation befreien, ist mit dem societätsartigen Charakter ihres
Verhältnisses vollkommen vereinbar. Das Majoritätsprinzip ist zwar ein wesent-
liches Kriterium für den korporativen Charakter einer Personenvereinigung in
dem Sinne, dass überall da, wo es gänzlich fehlt, die Annahme einer korporativen
Verfassung ausgeschlossen ist, aber nicht in dem Sinne, dass überall da, wo
Majoritätsbeschlüsse zulässig sind, auch der korporative Charakter der Ver-
einigung damit erwiesen sei. Es gibt vielmehr zahllose Gesellschaften aller
Arten und mit den verschiedensten Zwecken, bei welchen die Gesellschafter
sich Mehrheitsbeschlüssen unterwerfen. Auch das Recht und die Pflicht,
Mitglieder, welche ihre Societätspflichten nicht erfüllen, mit dem vom Recht
gestatteten Mitteln dazu anzuhalten, widerspricht dem Begriff der Societät
nicht; die sog. Bundesexekution ist daher mit der Auffassung des Staaten-
bundes als einer völkerrechtlichen Societät recht wohl vereinbar. Sind die
Mitglieder des Staatenbundes souverän, so ist damit ihre Unterordnung unter
eine Herrschaft ausgeschlossen und es bleibt für ihre Association keine an-
dere Rechtsform übrig als die der völkerrechtlichen Societät. Steht aber
dem Bunde als solchem über seine Mitglieder eine Herrschaft zu, so ist
ihm damit der rechtliche Charakter des Staates beigelegt und es verschwin-
det dann das unterscheidende Merkmal zwischen Staatenbund und Bundes-
staat.
Was nun die vom Verfasser gegebene Entwickelung des Begriffes