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Bundesstaat anlangt, so beruht dieselbe auf Voraussetzungen, welche am
Beginn der Schrift in den „grundlegenden Erörterungen“ aufgestellt worden
sind; wir müssen daher auf die letzteren hier etwas näher eingehen.
„Als das für den Begriff des Staates maassgebende Kriterium“ stellt
der Verfasser den Zweck hin und dieser Zweck besteht „der Idee nach“
„in der subsidiären Förderung aller vernünftigen Interessen seiner (gegen-
wärtigen und zukünftigen) Mitglieder“. Die „Allseitigkeit des Zwecks“ sei
das für den Begriff des Staates prinzipale Moment (S. 4 fg.); die Swbsidia-
rität sei das vernunftgemässe Correlat und die unentbehrliche Schranke der
Universalität des Staatszwecks* (S. 100). Prinzipiell muss nun bestritten
werden, dass man das wesentliche Kriterium eines Rechtsinstituts in dem
Zweck desselben erblicken kann. Der Zweck liegt ausserhalb der Einrich-
tung, durch welche er realisirt werden soll; er liegt jenseits der begrifflichen
Gränzen des Mittels, durch welches er erreicht werden soll. Der Zweck ist
subjektiv verstanden die Absicht, objektiv genommen die Wirkung, welche
durch eine Einrichtung realisirt werden soll, beziehentlich hervorgebracht
wird, aber kein Theil dieser Einrichtung selbst. So nützlich es für das
Verständniss eines Rechtsinstitutes sein kann, sich darüber klar zu werden,
welchen Zwecken es dient, so unzulässig ist es, die Frage nach dem Wesen
eines Rechtsinstitutes damit abzufertigen, dass man den Zweck desselben
angibt. Seit IHERING es für erforderlich erachtet hat ausführlich darzuthun,
dass die Rechtsinstitute nicht um ihrer selbst willen oder zum Zeitvertreib
der Juristen da sind, sondern praktischen Bedürfnissen entstammen und ver-
nünftigen Zwecken dienen, scheint es zur Mode geworden zu sein, den Blick
in die Ferne nach dem „Zweckmoment“ schweifen zu lassen und darüber
das Rechtsinstitut selbst aus den Augen zu verlieren. Die Aufgabe, die be-
grifflichen Elemente des Kaufes, des Darlehns, der Societät, der Hypo-
thek u. s. w. zu ermitteln, ist weit verschieden von einer Betrachtung der
Zwecke , denen diese Institute dienen können. Es ist nicht nur möglich,
dass ein und dasselbe Rechtsinstitut zu sehr verschiedenartigen Zwecken
verwendet wird, sondern ebenso, dass man zur Erreichung desselben Zweckes
sich verschiedener Rechtsinstitute erfolgreich bedienen kann und endlich,
dass man trotz der Verwendung des geeigneten Rechtsinstitutes den Zweck
nicht erreicht. Man kann die wesentlichen Merkmale eines jeden Rechts-
begriffes präcis und vollständig feststellen, ohne ein Wort über den Zweck
des Rechtsinstitutes hinzuzufügen; man kann z. B. eine exakte Definition der
Hypothek geben ohne die Bemerkung beizufügen, dass sie zur Sicherung
einer Forderung dient, und man kann ebenso eine juristisch vollkommene
Definition des Monarchen, des Gesetzes, der Disciplinarstrafe geben, ohne
sich in eine Erörterung über die Zwecke dieser Institutionen zu verlieren.
Wenn man aber sich darauf beschränkt Jemandem zu sagen, die Hypothek
sei ein Recht, welches die Sicherung von Forderungen bezweckt, oder die
Monarchie sei eine Einrichtung um die Festigkeit der staatlichen Ordnung
zu sichern, so ertährt er gar Nichts, was für den Rechtsbegriff von irgend
welcher Erheblichkeit wäre. Es verhielte sich ähnlich, als wenn man Je-
mandem auf die Frage: was ist Chinin? antworten würde, „es dient dazu, das
Fieber zu vertreiben“. Sonderbarer Weise wird das Zweckmoment gerade
da am meisten betont, wo es am allerwerthlosesten ist, nämlich bei der
Begriffsbestimmung der juristischen Personen. Freilich gibt es keine juri-