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stischen Personen, die nicht irgend einen Zweck haben, wie es überhaupt
keine zwecklosen Rechtsschöpfungen gibt; und es ist zweifellos, dass der
Staat keine Korporationen, insbesondere keine öffentlich-rechtlichen, schaffen
oder anerkennen und fortbestehen lassen wird, wenn sie ihm nach dem
Maasstabe seiner Interessen zwecklos oder gar zweckwidrig erscheinen oder
sich thatsächlich als ungeeignet zur Realisirung ihres Zweckes erweisen: aber
die Persönlichkeit eines Gemeinwesens und die Aufgabe, welche vermittelst
derselben gelöst werden soll, sind begrifflich ganz verschiedene Dinge. Für
den Staat soll die subsidiäre Allseitigkeit seines Zweckes das eigenthümliche,
ihn charakterisirende Merkmal sein, oder wie Rosm (Hirth’s Annalen 1883
S. 290) sagt: Die potentielle Totalität des Zwecks verbunden mit aktueller
Partialität desselben. Dies ist aber vollkommen nichtssagend ; denn „Zweck“
bedeutet einen bestimmten Zielpunkt ; die Allseitigkeit des Zweckes ist daher
eine contradictio in adjecto, sie ist der Verzicht, den Zweck zu präcisiren.
Man kann wohl sagen, der Staat habe eine freie Auswahl hinsichtlich der
Zwecke, welche er verfolgen wolle; er seian keinen bestimmten Zweck aus-
schliesslich gebunden ; er könne nicht nur Schutz und Fürsorge jedem ver-
nünftigen Interesse (wie BrıE S. 4 sagt), sondern selbst auch unvernünftigen
Interessen (z. B. der Verbrennung von Hexen, der Haltung von Spielbanken,
der Veranstaltung von Stierkämpfen) zu Theil werden lassen. Man hat da-
durch aber nur einen andern Ausdruck gewonnen für die Souveränetät des
Staates, welche den Satz einschliesst: Der Staat bestimmt seine Zwecke und
demgemäss seine Kompetenz selbst; er handelt nach seiner Selbstbestimmung
und kann sich daher Alles, was er will, zum Zweck setzen. Für die Selbst-
bestimmung seiner Zwecke emptängt er die Impulse aus den Bedürfnissen
des socialen Lebens; materiell (politisch) ist daher der Staat durch dieselben
genöthigt, gewisse Zwecke zu verfolgen, aber formell (rechtlich) ist ihm kein
Zweck gesetzt als durch seinen eigenen Willen.
Damit ist auch die Subsidiarität in ihrer Bedeutung oder vielmehr Be-
deutungslosigkeit erkannt. Dass der Staat sich nicht solchen Zwecken widmet,
für deren Befriedigung bereits in ausreichender Weise anderweitig gesorgt ist,
bedarf keiner wissenschaftlichen Erklärung. Wer wird mit einer Laterne
auf der Strasse gehen, wenn eine genügende Strassenbeleuchtung vorhanden
ist? Vollkommen falsch aber wäre der Satz, wenn er besagen sollte, dass
der Staat auf eine ergänzende Thätigkeit beschränkt sei, dass er keinen
Zweck verfolgen dürfe, für den ein Anderer sorge oder zu sorgen bereit sei.
Die geschichtliche Betrachtung lehrt vielmehr, dass der Staat zahlreiche Auf-
gaben den Kirchen, Kommunen, Vereinen, Familien und selbst den Indivi-
duen abgenommen hat, dass also der Staat keineswegs subsidiär eintritt,
wenn sonst Niemand sich bereit findet, einen Zweck zu verfolgen, sondern,
dass er in erster Reihe steht und sich seine Aufgabe vorweg nimmt.
„Verstaatlichung“ ist ein neues Wort, aber eine alte Sache. Der „prinzipiell
allseitige subsidiäre Zweck“ soll besonders dazu dienen um den Staat gegen
die Kommunalverbände abzugränzen. Aber auch hier versagt er vollständig
den Dienst; denn es lässt sich wohl kaum irgend ein Zweck denken, dessen
Förderung nicht auch den Gemeinden obliegen kann und im Lauf der ge-
schichtlichen Entwicklung auch wirklich ihnen zugestanden hat. Nur darin
zeigt sich die Verschiedenheit, dass nicht der freie Wille der Gemeinde ihre
Zwecke bestimmt, sondern der durch ausdrückliche Erklärung oder still-