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Gewalt mit Gewalt zu unterdrücken. Allein darauf, d. i. auf die Nieder-
drückung des Aufruhrs beschränkt sich auch ihr Einschreiten. Niemals aber
können Soldaten und Magistrate die Aufrührer bestrafen. Jede Execution
durch ein Militärgericht wäre als Mord strafbar.
5. Selbst die gesetzliche Stellung der Angehörigen der Armee _ zeigt
deutlich in welchem Maasse der Rechtsstaat in England verwirklicht ist.
Man hatte früher geglaubt‘, ein ständiger Armee-Körper aus bezahlten, ihren
Vorgesetzten zu unbedingtem Gehorsam verpflichteten Soldaten müsse verhäng-
nissvoll für die englische Freiheit werden. So sah man sich in der schwierigen
Lage, entweder ohne Armee jeder Invasion preisgegeben zu sein, oder mit Armee
des kostbaren Freiheitsgutes verlustig zu gehen. Indessen ist dieses Problem
durch ein besonderes Gesetz (Mutiny Act, 1689) glücklich gelöst worden. Danach
ist der Soldat neben seinen allgemeinen Bürgerpflichten noch speciellen
militärischen Pflichten unterworfen. Er ist demgemäss der gewöhnlichen
Criminal- und Civilgerichtsbarkeit unterworfen — wegen gewisser Verbrechen
muss er sogar vor den gewöhnlichen Gerichten zur Verantwortung gezogen
werden — ausserdem aber wegen Verletzung seiner militärischen Pflichten
den Militärgerichtshöfen verantwortlich. Da nun ein und dasselbe Reat
gleichzeitig eine Verletzung der bürgerlichen und der militärischen Pflichten
in sich schliessen kann, so kann ein Soldat wegen eines solchen sowohl von
den bürgerlichen als von den Militärgerichten belangt werden, indessen wird
hier der Zuständigkeit der ersteren durch eine Entscheidung der letzteren
nie präjudieirt, während umgekehrt Freisprechung oder Verurtheilung vor
dem Militärgericht eine weitere Untersuchung vor dem bürgerlichen Gerichte
nicht ausschliesst. Dass sich aus dieser zwiefachen Haftbarkeit Härten
ergeben können, ist auf der Hand liegend, dieselben werden aber thatsächlich,
wenn nicht beseitigt, so doch wesentlich gemildert (p. 307—-311).
6. Was die Staatseinnahmen anlangt, so beruhen diese, abgesehen von
ganz verschwindenden Einnahmen (aus dem Staatsvermögen etc.) durchaus
auf Gesetz (permanent oder annual act), ohne dessen Autorisation nichts
erhoben werden kann. Andererseits kann aber ohne Autorisation eines
Gesetzes nicht ein Pfennig verausgabt werden, ein Erfolg, der durch die
eigenthümliche Stellung einer besonderen Rechnungs- und Revisions-Behörde,
des Comptrollor and Auditor General (p. 322—329) vollständig erreicht wird.
7. Die Verantwortlichkeit der Minister endlich ist lediglich eine Anwen-
dung des im gemeinen Rechte sicherlich schon seit Eduard IV. anerkannten
Grundsatzes, dass eine Berufung auf ertheilten Befehl oder Auftrag unzulässig,
vielmehr jeder Uebelthäter persönlich haftbar sei. Wenn daher ein ungesetz-
licher Act eines Ministers vorliegt, so setzt er sich dadurch civiler und
eriminaler Verfolgung aus — möglicher Weise kann auch eine Minister-
anklage (impeachment) vor dem Parlament stattfinden, — ohne dass er sich
auf einen Auftrag der Krone berufen dürfte. Da nun alle Acte der Krone
durch einen Minister vorzunehmen sind, so fallen natürlich nicht nur die
Handlungen der Minister, sondern — mittelbar — auch jene der Krone
unter Cognition des Rechts und der Gerichte, und das ist wohl der
schlagendste Beweis, der für die allgemeine Herrschaft des Rechtes erbracht
werden kann,
Man möchte meinen, dass die beiden bisher besprochenen Grundprincipien
einander widersprechen oder doch einander in ihrer Wirksamkeit abschwächen,
Archiv für öffentliches Recht. II. 2. 22