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dieser Darstellung des Verfassungsrechts werden wir zweifellos deren
Kürze gelten lassen müssen, sie umfasst kaum 44 Seiten, während der ganze
Rest von 45—641 ausschliesslich dem Verwaltungsrecht gewidmet ist.
Während der erste kleinere Theil die ganze Beweglichkeit und Unbeständig-
keit des französischen Regierungsmechanismus abspiegelt, reflectirt dieser
zweite Theil in vollem Ausmaasse die erstaunliche Ruhe und Kontinuität,
welche sich Frankreichs Verwaltung im Sturme der Zeiten zu erhalten ge-
wusst hat.
Nur die Amts- und Armeeorganisation, denen Verfasser mit gutem
Grunde sorgfältige Behandlung widmet, zeigen noch die eingreifenden Ver-
änderungen, welche die Grundlagen des öffentlichen Rechts erfahren haben,
in den meisten anderen Partien des lehrreichen Buches treffen wir auf befestigte
Formen und durch langen staatlichen Gebrauch bestimmt abgegrenzte Rechts-
einrichtungen, welche allen Angehörigen des französischen Juristenstandes
als durchaus geläufige Münze gelten. Alle diese Kapitel über Personnes
morales, über das „staatliche Sachenrecht“, über das complicirte System der
Staats-, Departement- und Kommunalsteuern, geben in leicht übersichtlicher
Gruppirung reichen Gesetzesstoff und das bedeutungsvolle Judicatenmaterial
des um die Präcision und wissenschaftliche Vertiefung der französischen
Verwaltungsentscheidungen hochverdienten Conseil d’Etat. Die uns Deutschen
auffällige geringe Berücksichtigung der nationalen und völlige Ausseracht-
lassung der fremdländischen Literatur dürfte dem Buche in den Kreisen, für
welche es berechnet ist, als Mangel kaum auf's Kerbholz gesetzt werden.
Es ist dazu bestimmt, mit seinem grossen positivrechtlichen Lehrgehalte die
studirende Jugend Frankreichs über die Grundfragen des öffentlichen Rechts
zu orientiren, sie in einem der Ausführlichkeit der privatrechtlichen Studien
angemessenen Umfange, in den Gedankengang der zweiten grossen Rechts-
materie einzuweihen, ohne deren Kenntniss der Einzelne weder zum guten
‚Juristen noch zu dem seiner Rechte und Pflichten klarbewussten Staats-
bürger werden kann.
In ziemlich gleichlaufender Systematik bewegt sich die in der Ueber-
schrift dieser Zeilen an zweiter Stelle genannte Arbeit eines fachkundigen
Praktikers. Ohne grossen Ballast principieller Bedenken gruppirt er ein
reiches Material von Gesetzesbestimmungen und Judicaten um die schärfst
entwickelten verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Einrichtungen Frank-
reichs und gewährt denselben so eine Anschaulichkeit, die ihnen auf dem blos
rhetorischen Wege anderer Darstellungen nur selten zu theil geworden.
SIMonET's Buch ist in der That ein ungemein lehrreicher Führer, der uns
bei jedem Objekte alles zeigt und alles sagt, was von demselben zu sagen ist
und der uns auch auf Erscheinungen und .Verhältnisse verwandter Art auf-
merksam zu machen, nicht versäumt. Wer sich über die mangelnde Fundi-
rung der allgemeinen Grundsätze hinweghilft, wird, um ein Beispiel aufzu-
führen, in dem der Pouvoir legislatif gewidmeten Titel (III) über die Ver-
theilung des Wahlrechts, über den richterlichen und verwaltungsrechtlichen
Schutz dieses staatsbürgerlichen Rechts, über seinen stellenweisen Zusammen-
hang mit dem Steuerwesen, der Communalverfassung etc. wichtige, immer
im Gebiete des juristisch Relevanten liegende Aufklärungen empfangen. In
Ansehung der Corporationsrechte der Kammern, ihres inneren Verbandsrechts,
der für den Gesetzgebungsact rechtlich wichtigen Berathungs- und Entschei-