Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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Staatsrecht der Republik; keineswegs die mechanische Verbindung loser 
Gesetzesmaterien, sondern eine Durchdringung und Bewältigung derselben, 
um deren principiellen Gehalt in wissenschaftlicher Kürze zur Darstellung 
zu bringen. 
Angesichts des grossen Wechsels der constitutionellen Formen und 
Einrichtungen Frankreichs war es natürlich weder die Aufgabe noch die 
Absicht des Verfassers aus jeder einzelnen Erscheinung Grundsätze allge- 
meiner Natur abzuleiten, aus denselben wie aus Vordersätzen Folgerungen zu 
ziehen; er begnügt sich nach einer umständlichen, in den Einzelheiten freilich 
nicht unanfechtbaren historischen Einleitung die allgemeinen juristischen Merk- 
male des französischen Staates und seiner gegenwärtigen Verfassung möglichst 
scharf herauszuarbeiten. Er findet hierbei den Kernpunkt des französischen 
Gemeinwesens gelegen in dem ihm eigenthümlichen strengen Ausschluss aller 
föderalistischen Bestandtheile. Der centralistische Grundcharakter kehrt nach 
seinem Eingeständniss in allen Verfassungen wieder, welche dort nach und 
nach zur Geltung kamen. „Niemals findet sich in Frankreichs Gesetzen auch 
nur eine Spur von Föderalismus. Die Centralgewalt, ob unbeschränkt oder 
repräsentativ, war hier immer allmächtig; niemals war sie der Ausfluss 
örtlicher Gewalten, welche vielmehr immer aus jener hervorgehen. Ihre 
Zuständigkeit wird stets nur durch ihre eigene Zulassung beschränkt, es gibt 
keine ihr unterstehenden selbständigen Körperschaften vorbehaltenen Rechte, 
und wenn sie die Zuständigkeit der Localgewalten erweitert, 
so ist dies ein freiwilliger Act, den sie ebenso frei wieder zu- 
rücknehmen kann.“ (20 S.) Diese überaus klare Charakterisirung der 
französischen Staatsidee wird kaum auf begründeten Widerspruch stossen 
können. Wenn aber der scharfsinnige Verfasser gleichwol die Organisatidn 
der repräsentativen Republik mit ihrem zweifelhalften System der Ge- 
waltentheilung, mit ihrem — vom Fall des Hochverraths abgesehen — 
unverantwortlichen Staatsoberhaupt u. s. w. als „unbestrittenermaassen auf 
dem Grundsatze der Volkssouveränetät beruhend“ erklärt, so findet dieser 
handgreifliche Widerspruch seine Lösung nur eben in dem Umstande, 
dass innerhalb eines jeden Volkslebens einzelne Formeln und Cliches bis zu 
den Höhen emporgetragen werden, auf denen nur die wahrhaften Heilig- 
thümer des nationalen Lebens ihr vor profaner Kritik geschütztes Dasein 
führen sollten. Der möglichst uncontrollirte Gebrauch des auf seinen juristischen 
Wahrheitsgehalt möglichst wenig geprüften Wortes: „Volkssouveränetät“ 
ist nun einmal seitens der beweglichen Culturnation jenseits der Vogesen 
recipirt — und es scheint, dass sich auch klarstdenkende Köpfe, die sonst 
nicht Anstand nehmen, ihrer freien Meinung zuweilen scharfen Ausdruck zu 
geben, von der Zauberkraft jener populären Formeln nicht völlig freizu- 
halten vermögen. Principielle Einwände der erhobenen Art ändern natür- 
lich nichts an unserer Werthschätzung der Arbeit, die in allen ihren Theilen 
belehrend und anregend, die rechtsvergleichenden Kenntnisse ihres Autors 
fast allzu discret durchschimmern lässt. Die Ausführungen über die Quellen 
des französischen Rechts ($ 4 $ 13 fg.), die Gewährleistung und Suspension 
der bürgerlichen Rechte ($ 8), über civil- und strafrechtliche Verantwortlich- 
keit der Minister, die nach dem jüngsten Gesetzesstande gegebene 
Darstellung des französischen Gemeinderechts (88 58—62) werden auch Dem- 
jenigen zahlreiche Nova in anziehender Form darbieten, der der staatsrecht-
	        
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