Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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blatte publizirt und die Rechtskraft des Gesetzes datirt in der 
Regel von diesem Tage der Publikation. Doch gibt es im schwei- 
zerischen Staatsrecht keine absolut bestimmte Regel über die 
Promulgation und Rechtskraft der Gesetze, sondern es enthält 
blos ein wenig bekanntes Gesetz über den Geschäftsverkehr 
zwischen den beiden eidgenössischen Räthen die Vorschrift, dass 
die Promulgation im Bundesblatte entscheidet, wenn nicht ein 
anderer Zeitpunkt vom Bundesrathe resp. dem Gesetzgeber selbst 
festgestellt ist 7°). 
Nach dem Wortlaute der Verfassung und dem Sinne und 
Geist des facultativen Referendums steht es den gesetzgebenden 
Räthen nicht frei, eine Ausschreibung ihrer Gesetze oder Be- 
schlüsse an das Volk zur Abstimmung zu verfügen. Sie müssen 
die Verantwortung für dieselben selbst tragen, wenn das Referen- 
dum nicht ergriffen wird; einzig steht es natürlich den einzelnen 
Mitgliedern in ihrer Eigenschaft als Activbürger zu, die Ergreifung 
desselben zu befürworten. Eine entgegengesetzte Ansicht wollte 
seiner Zeit im Jahre 1878 bei der Debatte über die Gotthard- 
subvention geltend gemacht werden, drang aber mit vollem Grunde 
nicht durch, denn keine Behörde darf ohne bestimmte ver- 
fassungsmässige Erlaubniss ihre amtlichen Functionen einem Andern, 
und wäre es der Souverän selbst, übertragen. In den Cantonen 
besteht öfter eine solche Befugniss, und in dem Vaterlande des 
Referendums, Graubünden, kam es, selbst bevor dieselbe ver- 
fassungsmässig bestand, einmal (bei Anlass einer für die Kräfte 
des Landes sehr bedeutenden Subvention für eine Splügenbahn) 
vor, dass der Grosse Rath ein solches Ausschreiben an das Volk 
erliess. Immerhin war der Fall etwas verschieden von dem ob- 
citirten eidgenössischen, da in diesem letzteren das Volk selbst 
mit 30 000 Stimmen die Abstimmung begehren konnte (und es 
auch that), während in Graubünden, wo nur obligatorisches 
75) Dieser Zeitpunkt kann ein späterer, aber auch ein früherer sein. 
Das letztere war z. B. der Fall bei dem Beschlusse der Erhöhung des Grenz- 
zolles auf Tabak im Jahre 1879, welcher am Tage des Beschlusses beider 
Räthe von dem Bundesrath vollziehbar erklärt und durch telegraphische 
Mittheilung an alle Zollstätten ausgeführt wurde. Es wurde dagegen seitens 
einzelner Tabakfabrikanten zwar Beschwerde erhoben, aber ohne Erfolg.
	        
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