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Dagegen hat das facultative Referendum vor dem obligatori-
schen das voraus, dass es nicht so sorgfältig begrenzt zu werden
braucht, sondern man demselben, im Vertrauen auf die gesunde
Vernunft des Volkes, sehr weitgehend alle Gesetze und allgemein
verbindlichen Beschlüsse, ja sogar nöthigenfalls Staatsverträge und
Concordate unterstellen kann. Namentlich wenn dabei noch als
Sicherheitsvorrichtung eine Dringlichkeitsclausel vorhanden ist, so
können die übeln Folgen, die man von dieser demokratischen
Einrichtung für das Staatsleben voraussetzen zu müssen glaubte,
in einem weitgehenden Maassstabe verhindert werden.
Facultatives Referendum wird mitunter auch die Einrichtung
genannt, wornach der Repräsentantenversammlung die Facultät
zusteht, einen Beschluss, den sie gefasst hat, noch der Volks-
abstimmung zu unterwerfen, oder nicht. Diese Einrichtung kann
allein für sich, oder auch in Verbindung mit einer anderen Art
des Referendums bestehen !!!), hat jedoch im Grunde wenig Em-
pfehlenswerthes für sich, indem es schon prinzipiell ziemlich un-
passend erscheint, dass die Repräsentanten eines Volks demselben
nach ihrer blossen Willkür Gesetze zur Genehmigung vorlegen,
oder vorenthalten können. Auch liegt die Gefahr nahe, dass auf
diese Weise oft gerade das nicht vorgelegt wird, dessen Ver-
werfung man zu besorgen hätte, oder nur solche Beschlüsse unter-
breitet werden, deren Verantwortung man sich gerne entziehen
möchte, oder bei denen vielleicht manche Repräsentanten nur un-
gerne zustimmten und die sie dann durch den Beschluss der Vor-
lage an das Volk wieder in Frage stellen können.
b) Das beschränkte Referendum ist diejenige Form
desselben, wie sie z. B. nun der eine alte Referendumscanton,
Wallis, besitzt, wornach nur ganz bestimmte und wenige Gegen-
stände, gewissermaassen ausnahmsweise, an die, hiebei jedoch ge-
quent mittelst des facultativen Referendums desavouirte parlamentarische
Versammlung nicht zurücktreten und Neuwahlen veranlassen sollte. Eine
solche Einrichtung besteht in der Schweiz bloss für den Fall, wo in. Ver-
fassungsrevisionsfragen beide Eidgenössische Räthe sich nicht einigen können,
oder 50,000 Schweizerbürger direct die Revision verlangen. In diesen Fällen
werden die Räthe neu gewählt. Art. 120 der Bundesverfassung.
ı11) Ein solches Beispiel, in Verbindung mit dem obligatorischen Refe-
rendum siehe u. a. oben, pag. 248 u. folg. bei Schwyz, Solothurn und Graubünden,
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