Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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Die rechtliche Natur der Initiative ist die einer Petition. 
Sie unterscheidet sich von dem Petitionsrecht, welches die Eid- 
genössische Verfassung und alle Cantonsverfassungen gewährleisten, 
bloss dadurch, dass sie nicht bloss in der repräsentativen Körper- 
schaft, an die sie gerichtet ist, behandelt werden muss, was auch 
bei einer gewöhnlichen Petition der Fall ist, sondern überhaupt 
nicht definitiv abgewiesen, vielmehr bloss in der Regel nicht 
empfohlen werden kann, wobei dann dem Volke selbst der 
eigentliche Entscheid zusteht. Es ist also "eigentlich eine an 
das Volk gerichtete Petition, welche bloss noch einer Vor- 
berathung und Begutachtung durch die Repräsentanten unter- 
liegt, ganz ähnlich den „Anträgen“ der Landsgemeinden. Es 
wäre prinzipiell ganz wohl denkbar, diese Klippe mancher Initiativ- 
begehren auch noch zu umgehen und sie direct, durch blosse Ver- 
mittelung der Regierungsbehörden, an die Volksabstimmung aus- 
schreiben zu lassen. Man käme dann auf eine Frage zurück, 
die vielfach bei den alten Landsgemeindecantonen behandelt wurde, 
und es würde sich auch hierin zeigen, dass diese modernen „Volks- 
rechte“ überhaupt eigentlich bloss die Landsgemeindeeinrichtung 
in durch die grösseren Verhältnisse nothwendig gemachter und 
zuletzt überhaupt etwas modernisirter Form sind !!%). Dort näm- 
bei Stüssı „Referendum und Initiative“ 1886, wo auf pag. 60 und folgenden 
auch interessante Angaben aus der züricherischen Praxis seit 1869 enthalten 
sind. Als Gegenstände der Initiative finden sich dort z. B. vor: Vorschläge 
für ein Banknotenmonopol (1876) das bundesrechtlich völlig unzulässig war, 
für Einführung des staatlichen Getreidehandels (1878), für Aufhebung des 
Impfzwanges (1879 und 1882), Wiedereinführung der Todesstrafe (1882), 
Aufhebung des Reblaus-Gesetzes (1884), Freigebung der ärztlichen Praxis 
an Jedermann ohne Examen (1885). Von 28 solchen Initiativbegehren wurden 
bloss 6 von dem Cantonsrathe unterstützt und bloss 8 in der Volksabstimmung 
angenommen. Die annehmende Mehrheit betrug in diesem Falle bloss Ein- 
mal 74 Procent der Stimmenden, sonst nur 55, 52, 50°/ıo, 68, 69, 61, 53 
Procent. 
116) Die Landsgemeinde ist, das thut man zum Verständnisse gut stets 
festzuhalten, das Original dieser ganzen neu-demokratischen Einrichtungen, 
das bloss, zuerst in Wallis und Graubünden, auf grössere Massen übertragen 
und anwendbar gemacht ist. Das ist ja auch der Unterschied der modernen 
Demokratie und des modernen Staats gegenüber dem anitken, dass der letztere 
stets eine Stadt, resp. kleinere beisammen wohnende, wenigstens zeitweise
	        
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