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Die von uns in Uebereinstimmung mit LABAND vertretene
Ansicht, dass durch das Finanzgesetz, auch wenn dasselbe keine
Rechtssätze enthält, die Organe des Staates gebunden werden,
bedarf jedoch näherer Ausführung und Präzisirung, da der auf-
gestellte Satz, wie eben v. Marrıtz’s Ausführungen zeigen, sehr
leicht missverstanden werden kann. Es ist nämlich durch den-
selben keineswegs gesagt, dass das Finanzgesetz die Regierung in
gleicher Weise binde, wie ein wirkliches Gesetz. Allerdings
besteht eine Gebundenheit; dieselbe ist auch nicht geringer, als
die Gebundenheit dem Gesetze gegenüber, allein sie ist von der
Letzteren wesentlich verschieden.
Durch ein Gesetz im materiellen Sinne des Wortes wird die
Handlungsfreiheit der Organe der vollziehenden Gewalt mit der
Wirkung eingeschränkt, dass jedes die Schranken des Gesetzes
durchbrechende Handeln dieser Organe als rechtswidrig er-
scheint. Wo wirksame Rechtskontrollen der Verwaltung bestehen,
wird daher auch Jedermann in der Lage sein, einen richterlichen
Spruch zu erwirken, der ihn in seinem durch einen Regierungs-
akt verletzten subjectiven Rechte schützt; bei Bestand instanz-
mässig gegliederter Verwaltungsgerichte kann -es, wenn Letztere
ihren Zweck erfüllen, zu einer solchen Verletzung subjektiver
Rechte gar nicht kommen.
Anders in unserem Falle. Eine Ausserachtlassung der durch
das Finanzgesetz gezogenen Schranken durch die Organe der
vollziehenden Gewalt erscheint wohl als instruktionswidrig,
keineswegs jedoch als rechtswidrig; Rechte im subjektiven
Sinne des Wortes können aus diesem vermeintlichen Gesetze
gar nicht konstruirt werden; für die Thätigkeit des Rich-
ters könnte eine behauptete Verletzung des Finanzgesetzes kein
Substrat abgeben. Eine Ministeranklage wegen Verletzung
des Finanzgesetzes wäre wohl denkbar, aber auch nur dort, wo
die Verantwortlichkeit der Räthe der Krone sich auch auf die
Missregierung bezieht, nicht aber dort, wo die Minister ledig-
Amtsblatte abgedruckt, finden jedoch weder in das Reichsgesetzblatt für die
im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, noch in die ungarische
Landesgesetzzammlung Aufnahme. Auch die Budgets der einzelnen Länder
werden in den Landesgesetzblättern nicht publizirt.